Kleve Ehrings Bericht aus dem Komfortzonenrandgebiet

Kleve · Es war ein aktueller Lagebericht aus dem Komfortzonenrandgebiet. Dort, wo der gemeine Wohlstandsbürger, der sich gerne als linksliberaler Grünen-Wähler gibt und doch im Grunde seines Herzens ganz und gar konservativ ist, sein Leben verbringt. Citynah in einem "Quartier" nobler Stadthäuser, für das zwar ein 1950er Jahre Mietwohnungsbau weichen musste, für den aber ein Querschnitt der Gesellschaft - Professoren, Freiberufler und Rechtsanwälte - schicke Stadthäuser bekommen haben.

Dort, mit ein paar Bioläden in der Nähe, lebt das Alterego von Christian Ehring, das er jetzt auf die Bühne der Klever Stadthalle stellte: Eineinhalb-Stunden hoch konzertiertes Kabarett, unterbrochen von einigen Songs, die er in den Steinway zimmerte. Ehring, mit "Extra 3" im ARD und mit der "heute show" im ZDF regelmäßig fernsehpräsent, lieferte den Höhepunkt im Cinque-Jahr. Es gab Kabarett und keine laut-schreiende Comedy. Es entwickelte sich ein fein-pointiertes Geflecht aus Rahmenhandlung, bissiger Gesellschaftskritik und politischen Seitenhieben dort oben auf der Bühne, das einfach Spaß machte und mehr lieferte als den lauten Lacher, der beim Ende des Abends längst schon vergessen ist.

Ehring erzählt die Geschichte der Eltern, die ihren 18 jährigen Sohn in einen Dritt-Welt-Slum entlassen, in dem er doch bitte nach dem Abi sein soziales Jahr machen soll. Das ist derzeit bei 18-Jährigen ja en vogue, und: "Das macht sich doch so gut im Lebenslauf", sagt Ehrings Alterego da oben, einräumend, dass man den Filius, der doch nur mit der Konsole auf der Couch liege, habe zwingen müssen, in den Slum zu gehen.

Der Sohn hatte die Einliegerwohnung im Parterre belegt - und die wird nun frei: Zeit einen Flüchtling ins Haus zu lassen, wie die Frau des Hauses befindet. Ehring zeigt auf, wie schwer es für den Wohlstandbürger ist, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Ein sich selbst entlarvendes Spiel, das allen in der Stadthalle den Spiegel vorhält. Immer wieder gespickt mit schwarzem Humor. Ehrings Programm "Keine weiteren Fragen" ist ein gelungenes Stück Politsatire, schwärmt der Deutschlandfunk. Zu Recht: Der Einkauf im Bioladen reicht längst nicht mehr aus als moralischer Ablassbrief. Genauso wenig, wie der Besuch eines Kabarettprogramms, sagt Ehring. Tosender Applaus in der Stadthalle.

(RP)
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