Handy, Tablet und Co. Digitalisierte Kindheit

Kreis Kleve · Ab welchem Alter sollte ein Kind das erste Handy bekommen? Welche Apps sind sinnvoll, welche gefährlich? Die fortschreitende Digitalisierung stellt Eltern vor neue Herausforderungen in der Erziehung. Eine Expertin gibt Tipps.

Ab welchem Alter ist es okay, ein eigenes Handy zu haben? Petra van Bergen (kl. Foto) arbeitet in der Suchtberatung der Diakonie im Kreis Kleve und berät Eltern zu dieser und vielen weiteren Fragen.

Ab welchem Alter ist es okay, ein eigenes Handy zu haben? Petra van Bergen (kl. Foto) arbeitet in der Suchtberatung der Diakonie im Kreis Kleve und berät Eltern zu dieser und vielen weiteren Fragen.

Foto: dpa/Tobias Hase

Fernsehen gucken während des Essens, eben schnell eine Whatsapp-Nachricht in den Gruppenchat der Schulklasse schreiben, noch ein neues Tik-Tok-Video aufnehmen und dann ab vor die Spielekonsole oder ans iPad. Unsere Gesellschaft ist umgeben von Technologie und die macht natürlich auch nicht vor den Kleinsten und Jüngsten halt: Kinder wachsen in einer digitalisierten Welt auf. Das birgt Chancen und Vorteile, natürlich aber auch Risiken und Herausforderungen für Eltern in der Erziehung. Ab welchem Alter sollte ein Kind das erste Handy bekommen? Über welche Risiken sollten Eltern Bescheid wissen? Wie viel Bildschirmzeit am Tag ist in Ordnung? Fragen, die Petra van Bergen, Sozial- und Suchtberaterin der Diakonie Kleve, immer wieder von Eltern gestellt bekommt.

„Es ist schwer eine genaue Empfehlung abzugeben, ab welchem Alter ein Handy sinnvoll ist“, erklärt sie. Man müsse das nach Einzelfall entscheiden. „Ein nachvollziehbarer Grund ist zum Beispiel der Wechsel von Grund- auf weiterführende Schule. Die Kinder fahren dann öfters mit Bus oder Bahn, sind generell weniger greifbar. Da macht ein Handy Sinn.“ In der Realität würden Kinder mittlerweile aber schon viel früher ihr erstes Handy bekommen. Laut der KIM-Studie (Kinder, Internet, Medien) aus dem Jahr 2018 hat jeder zweite Viertklässler in Deutschland bereits ein eigenes Handy. „Wir haben in den letzten ein bis zwei Jahren den Trend wahrgenommen, dass das Handy immer öfter ein Kommunion-Geschenk – also für Kinder der dritten Klasse – ist“, meint van Bergen.

 Petra van Bergen, Fachbereichsleiterin der Sozialen Dienste der Diakonie im Kreis Kleve.

Petra van Bergen, Fachbereichsleiterin der Sozialen Dienste der Diakonie im Kreis Kleve.

Foto: Diakonie

Für die Expertin ist es wichtig, dass technische Geräte in den Händen von Kindern nicht per se verteufelt werden. Man müsse Vorteile erkennen und natürlich auch die Notwendigkeit, dass Kinder in unserer digitalen Welt frühzeitig lernen, wie sie mit Technologie umgehen. „Per Handy sind schnelle, unkomplizierte Absprachen möglich, es gibt gute, digitale Lernangebote und sicherlich sind Eltern auch mal froh über Entlastung, wenn die Kinder beschäftigt sind.“ Diese Ambivalenz aus Vor- und Nachteilen sei in der Betrachtung immens wichtig.

Klar ist aber auch: Technologie und vor allem das Internet bergen Gefahren für Kinder. „Über das Handy haben Kinder Zugriff auf Internetseiten und Apps, die nicht jugendfrei sind. Mit den Messenger-Diensten können sie an zwielichtige Personen geraten, die sich möglicherweise als jemand anderes ausgeben. In den Gruppenchats von Schulklassen etc. spielt leider Cyber-Mobbing eine große Rolle,“ zählt die Sozialarbeiterin auf.

Kinder seien oft sehr impulsiv und würden sich wenig Gedanken über Gefahren oder Auswirkungen machen. Vor allem deshalb wirft van Bergen einen besonders kritischen Blick auf das chinesische Videoportal Tiktok: „Ich bin manchmal erschrocken, dass Acht- oder Neunjährige bei Tiktok angemeldet sind und dort Videos von sich veröffentlichen. Solche Videos bleiben im Internet und sind später oft der Auslöser für Cyber-Mobbing.“ Deshalb rät van Bergen, im Gespräch mit den Kindern zu bleiben und klare Regeln aufzustellen. So kann man überprüfen, welche Apps das Kind nutzt und behält die Kontrolle über das Nutzungsverhalten. „Ein klar festgelegter Rahmen ist wichtig. Dafür müssen die Eltern auch ihr Nutzungsverhalten überdenken. Wenn das Kind beim Essen oder im Gespräch kein Handy nutzen soll, dann darf ich das als Elternteil auch nicht“, so die Expertin.

Darüber hinaus ermutigt sie Eltern durchaus, die Sicherheitseinstellungen zu nutzen, um zum Beispiel Apps oder ganze Geräte nach einer gewissen Zeit oder komplett zu sperren. „Denkbar ist auch ein Gutscheinsystem, bei dem Kinder Gutscheine gegen Medienzeit eintauschen können. Da muss jede Familie individuell entscheiden, was sinnvoll ist.“ Generell empfiehlt die Expertin für Kinder im Grundschulalter eine tägliche Bildschirmzeit von bis zu zwei Stunden. „Wichtig ist es, eine Basis mit dem Kind zu finden und sich klar zum Medienkonsum zu positionieren.“

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