Kleverland Diese Genossen müssen kein Parteibuch haben

Kleverland · "Die Genossenschaften im Kleverland": Die Volksbank Kleverland geht zurück auf Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der um 1850 frühe Modelle des gemeinschaftlichen Handelns erfand.

 Ein Genossenschaftsbau in der City: Das neue Gebäude der Bank in der Klever Unterstadt.

Ein Genossenschaftsbau in der City: Das neue Gebäude der Bank in der Klever Unterstadt.

Foto: Gottfried Evers

Nicht jedes Mitglied der Volksbank Kleverland wird den Begriff "Genosse" im üblichen Sinne für sich passend finden. Allerdings hat die Bezeichnung nichts mit parteipolitischer Orientierung zu tun, sondern stammt aus dem Umfeld der sozialreformerischen Prinzipien von Solidarität und Hilfe zur Selbsthilfe. In seiner ländlichen Westerwälder Heimat hatte um die Mitte des 19. Jahrhunderts Friedrich Wilhelm Raiffeisen, in Armut aufgewachsen, christlich erzogen und später kommunalpolitisch tätig, eine Genossenschaftsbewegung angestoßen, die Bauern und Arbeiter unterstützen sollte. Raiffeisen erkannte, dass eine gemeinschaftliche Selbsthilfe wirtschaftliche Vorteile brächte und entwickelte sogar eine Darlehenskasse.

Ende des 19. Jahrhunderts kamen seine Ideen auch am Niederrhein an. Strenge Winter mit Hungersnöten ließen die Bürger aufeinander zu rücken. Dass einer dem anderen helfen könne, wenn man seine kleinen Acker zusammenlegt, gemeinsam Brot backt, bei Geschäften Fairness herrscht und für Kredite seriöse Konditionen gelten - das half schon mal. In den Vereinen gab es Menschen, die Ahnung von Betriebswirtschaft hatten und die Bauern, die oft unter Kapitalmangel und Schulden litten, beraten konnten. In Hasselt, Keeken, Griethausen und Warbeyen gründeten sich ab 1895 die ersten Spar- und Darlehenskassenvereine, Kranenburg und Materborn schlossen sich an.

 Dr. Peter Lukassen, Anwalt und Aufsichtsratsmitglied der Volksbank Kleverland.

Dr. Peter Lukassen, Anwalt und Aufsichtsratsmitglied der Volksbank Kleverland.

Foto: Stade

"Die Ideale und Prinzipien Raiffeisens gelten noch heute und sind erfolgreich", sagt Dr. Peter Lukassen, Anwalt und Aufsichtsratsmitglied der Volksbank Kleverland. Die Mitglieder der Bank, die heute mit ihren Einlagen Genossenschaftsanteile erwerben, tragen das Solidaritätsprinzip mit. "Im Genossenschaftsgesetzt und in unserer Satzung steht, dass Geschäftszweck die Förderung der Mitglieder und die Eigenkapitalbildung ist. Wenn die Kunden Mitglieder sind, gestalten sie als Teilhaber die Geschäftspolitik mit." Denn auch die Vertreterversammlung, die den Aufsichtsrat wählt (der wiederum den Vorstand bestellt), besteht aus Genossenschaftsmitgliedern.

Der Aufsichtsrat ist übrigens kein politisches Gremium. Die Mitglieder sind ehemalige Bürgermeister, Unternehmer, Handwerker, Vertreter des Handels und der Juristerei, die sich in dem Gremium engagieren. Sie setzen sich ein für rund 13 000 Personen, die Genossenschaftsanteile zum Stückpreis von 200 Euro erworben haben. Im vergangenen Jahr wurde eine zweiprozentige Dividende ausgeschüttet. Im Gegensatz zu einer Aktiengesellschaft schwankt der Wert des Anteils nicht. "Wenn man sich die Wertentwicklung der Aktienkurse der Deutschen Bank und der Commerzbank in den vergangenen zehn Jahren ansieht, weiß man, dass das ein großer Vorteil ist", sagt Lukassen. Auch Regionalität haben sich die Volksbanken auf die Fahnen geschrieben. In fünf Kommunen (Kleve, Kalkar, Bedburg-Hau, Kranenburg und Marienbaum) und sieben Filialen werden über 30 000 Kunden betreut, etwa 160 Mitarbeiter, davon 100 in der Klever Hauptstelle, kümmern sich um die Geschäfte. Die Bilanzsumme betrage rund 680 Millionen Euro.

Dafür, dass unterm Strich alles seine Richtigkeit hat, sorgt zwar der Aufsichtsrat, beim "Rechnen" hat er jedoch Hilfe: Wirtschaftsprüfer des Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverbands übernehmen diese Aufgabe. Dieser Verband haftet übrigens unbegrenzt für die Einlagen einer Genossenschaftsbank.

(RP)
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