Kranenburg Dielen und Möbel aus Reichswaldholz

Kranenburg · Tischlermeister Martin Rozyn aus Kranenburg verarbeitet ausschließlich Holz aus dem Klever Wald. Nach dem Sturm Kyrill hagelte es Aufträge von heimatverbundenen Kunden. Granatsplitter im Holz zeugen von bewegter Vergangenheit.

 Martin Rozyn und sein Sohn Gerhard Bernhard mit einer Eiche aus dem Reichswald, die noch zersägt wird.

Martin Rozyn und sein Sohn Gerhard Bernhard mit einer Eiche aus dem Reichswald, die noch zersägt wird.

Foto: Evers

Schön sieht das nicht aus. Ein Bein des Wohnzimmertisches hat eine blaue Einfärbung. Was anderswo entweder sofort aussortiert oder aber ein ewiger Ladenhüter werden würde, findet bei Martin Rozyn reißenden Absatz. Denn das Blau verrät dem Kenner: Dieser Tisch wurde aus Reichswaldholz gefertigt. "Die Einfärbung ergibt sich daraus, dass in diesem Holz noch Munitionsreste aus dem Zweiten Weltkrieg stecken", erläutert Rozyn.

Der Kranenburger Tischler arbeitet ausschließlich mit Holz aus dem Reichswald zwischen Goch, Kleve und seinem Heimatort. Die Liebe zum heimischen Holz hat er von seinem Vater geerbt, der bereits in den 60er Jahren Fußbodenbeläge und Möbel aus Reichswald-Bäumen hergestellt hat.

"In den 80er Jahren waren wir dann auf Holzlieferungen aus anderen Regionen angewiesen, weil die örtliche Sägerei den Betrieb eingestellt hatte. Im Jahr 2003 haben wir uns dann eine eigene Sägeanlage angeschafft; so konnte die Produktion mit heimischem Holz weitergehen", erinnert sich Rozyn.

Eichen, Roteichen, Douglasien, Kiefern, Fichten und Pappeln verarbeitet der Kranenburger Tischler- und Parkettmeister zu Dielen, Parkett oder Möbeln. Auf die Frage, warum er nur heimisches Holz verwendet, hat Rozyn eine ganz einfache Antwort: "Da habe ich Freude dran." Ökologisch sinnvoll sei das zudem, betont der Tischler. "Das Holz quer durch Europa zu fahren, bedeutet einen ungeheueren Energieaufwand", sagt Rozyn. Außerdem sei das Holz aus dem Reichswald von außergewöhnlich guter Qualität.

Diese Argumente überzeugen auch die Kunden. Kaufentscheidend ist letzten Endes aber meist weniger die Vernunft beziehungsweise das grüne Bewusstsein, sondern die Heimatverbundenheit. "Viele Kunden kommen gezielt zu uns, weil es ihnen etwas bedeutet, auf Reichswaldholz zu laufen oder ein schönes Möbelstück aus einer heimischen Eiche in ihrem Wohnzimmer stehen zu haben", weiß der Tischler.

Die Einstellung der Leute haben sich in den Jahren gewandelt. Die Aussage: "Es ist eine Unverschämtheit, dass im Reichswald Bäume gefällt werden" habe Rozyn früher öfter gehört. "Heute ist es den Menschen vor allem wichtig, qualitativ hochwertiges Holz zu bekommen", sagt Rozyn. Reichswaldholz erkennt er sofort. Farbe und Textur seien charakteristisch. Aber auch da gebe es noch Unterschiede: "Eichenholz aus dem Sternbusch ist heller, das vom Rosendahler Ring dunkler", sagt Rozyn.

Der Orkan Kyrill Anfang 2007 bescherte der Kranenburger Tischlerei zahlreiche Aufträge. Ein Ehepaar aus Rotterdam machte damals eine Fahrradtour durchs Kleverland. Als sie am Tag nach dem Sturm durch die Wasserburgallee in Kleve fuhren, sahen sie vielen umgestürzten Platanen und meldeten ich bei Rozyn. "So kommt es, dass jetzt ein Boden aus Platanenholz in einem Rotterdamer Haus liegt", erzählt der Tischler.

In seinem Büro hat Rozyn zahlreiche Fundstücke aufbewahrt. Da finden sich Holzstücke mit Granatsplittern, Resten von Zündern und Gewehrkugeln. "Ich habe mal einen Baum gesehen, in dem 20 Projektile gesteckt haben. Da macht man sich schon so seine Gedanken, wie es den Soldaten damals im Reichswald ergangen ist", sagt Gerhard Bernhard Rozyn, der ebenfalls Tischlermeister ist und den Betrieb eines Tages von seinem Vater übernehmen möchte.

Ob alle Kunden ähnlich nachdenklich werden, wenn sie Holzdielen aus dem Reichswald kaufen, ist schwer zu sagen. Was am Ende wohl wirklich zählt, ist das gute Gefühl, von heimischem Holz umgeben zu sein.

(RP)
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