Kleve Die Zeit der Schirme

Kleve · Die mit der Suche nach dem „Wort des Jahres“ befasste Kommission muss den letzten Monat von 2008 gar nicht mehr abwarten. Unschlagbarer Favorit ist natürlich „Rettungsschirm“. Das ist dieses immer mit viel Geld verbundene Konstrukt, das von dem zu Schützenden tödliche Belastungen ablenken oder, wie ein Fallschirm, den Sturz so sehr mildern soll, dass die Landung, sprich: die Pleite, nicht gar so halsbrecherisch ausfällt, auch wenn das Geschäftsgebaren dieses Prädikat verdient. Die Banken-Bosse dürfen unter diesen Schirm schlüpfen. Auto-Allmächtigen ist die Hilfe zumindest in Aussicht gestellt. Alles mit Steuergeldern, versteht sich. Also mit den Cents und Euros eines jeden Bürgers.

Unfähige Wirtschaftsbosse im Kreis Kleve drängten bisher nicht in die Schlagzeilen. Doch auch hier ist der Rettungsschirm gespannt: Der Kreis Kleve sowie die Städte Geldern und Straelen bürgen gemeinsam mit bis zu 500 000 Euro, sollten die 50 000 Euro des Theodor-Brauer-Hauses nicht reichen, um die jetzt von ihm geführte gemeinnützige Integra aus Geldern vor der Insolvenz zu retten. Bis Mitte nächsten Jahres soll der Strohhalm halten, danach gilt vermutlich das Prinzip Hoffnung.

Was lehrt dieses Beispiel, unabhängig von den strafrechtlich relevanten Vorwürfen des Betrugs und der Untreue gegen den ehemaligen Integra-Geschäftsführer?

Auch wer den Gemeinnutz im Namen führt, die Integra ist nicht das einzige aktuelle Beispiel, tummelt sich als Wirtschaftsakteur mit Sozialanspruch und konkurriert mit Gewerbetreibenden. Die Gemeinnützigen bedürfen deshalb der selben Kontrolle wie Wirtschaftsunternehmen, und zwar einer Kontrolle, die ihren Namen verdient.

Die Steuerzahler haben einen Anspruch darauf. Das Argument „Wenn wir nicht helfen, könnte es für alle viel teurer werden“, ist eine Behauptung, mit der sich alles und jedes begründen lässt.

Wie im Gesundheitswesen muss gelten: Auf Vorsorge, sprich Kontrolle, achten, um sich teure Operationen zu ersparen.

MICHAEL KLATT

(RP)
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