Kleve Die Schwestern von gestern

Kleve · Sie wollten leise gehen. Die letzten Ordensfrauen, die in der "Münze" an der Tiergartenstraße wirkten, hatten vor, ihre Sachen zu packen und das Kinder- und Altenheim im September 1977 in der ihnen gegebenen Bescheidenheit zu verlassen.

 Hier lebte die "Münze" weiter, in den Bungalows des Kinderheims. Der ehemalige Hotelbau "Haus Styrum" wurde nach der Aufnahme abgerissen.

Hier lebte die "Münze" weiter, in den Bungalows des Kinderheims. Der ehemalige Hotelbau "Haus Styrum" wurde nach der Aufnahme abgerissen.

Foto: Evers, Gottfried

Grund für den Abschied war, dass die beiden letzten betagten Bewohner des Kinder- und Altenheims in das Sankt-Laurentius-Heim in Uedem umgezogen waren. So wurde in dem Jahr aus der "Münze" ein reines Kinderheim.

 Abschied im Sitzungszimmer: Kleves Stadtdirektor Dr. Hans-Hermann Schröer, Schwester Alinde, Bürgermeister Richard van de Loo und Schwester Virgilid mit Wein, Plätzchen und Präsent.

Abschied im Sitzungszimmer: Kleves Stadtdirektor Dr. Hans-Hermann Schröer, Schwester Alinde, Bürgermeister Richard van de Loo und Schwester Virgilid mit Wein, Plätzchen und Präsent.

Foto: Evers, Gottfried

Doch scheiterte das Vorhaben der Ordensfrauen, sich durch die Hintertür aus Kleve zu verabschieden. Das Klever Rathaus war damals immer gut informiert und so wurden die scheidende Oberin und mit ihr alle Borromäerinnen in das Sitzungszimmer der Verwaltung eingeladen, um sie für ihr Engagement zu würdigen. Bürgermeister Richard van de Loo nahm das Treffen zum Anlass, und referierte im Zusammenhang mit dem Abgang der Schwestern über die Klever Sozialgeschichte.

Das war in dem Fall auch angebracht, denn mehr als 150 Jahre wirkten die Borromäerinnen in der Schwanenstadt. Van de Loo schilderte die Entwicklung der "Münze". Ein gewagtes Vorhaben, blickte das Kinderheim doch auf eine fast 700-jährige Geschichte zurück, da es schon im 14. Jahrhundert erstmals erwähnt wurde. Einst war die Einrichtung in der Gasthausstraße untergebracht, bevor im 17. Jahrhundert der Umzug in ein Haus an der Münze, das dem Kinderheim bis heute seinen Namen gibt, erfolgte.

Aus einer "Städtischen Armen-, Kranken-, Verpflegungs- und Schulanstalt", die im Jahr 1827 gegründet wurde, entwickelte sich die "Städtische Armen-, Kranken- und Waisenanstalt" nun zu einem reinen Kinderheim. Aus der alten "Armenschule", deren Zöglinge in einheitlicher Kleidung durch die Straßen Kleves geführt wurden, entstand das Kinderheim "Münze".

1977 lebten die Kinder in neu errichteten Bungalows innerhalb von Familien an der Tiergartenstraße. Doch auf dem Weg dorthin gab es nicht wenige Rückschläge. So wie im Jahr 1944. Damals waren es acht Schwestern, die noch gerade rechtzeitig vor dem Bombenangriff auf die Stadt mit 60 alten Leuten und 20 Kindern nach Stendal flüchteten. Nach der Heimkehr musste man sich im ehemaligen "Hotel Haus Styrum" an der Tiergartenstraße neu einrichten, da die frühere "Münze" in der Stadtmitte völlig zerstört war. Das "Hotel Haus Styrum" wurde 1977 abgerissen. 2008 kam das Aus für die Bungalows des Kinderheims, die in den 60er-Jahren hinter dem Hotel im Forstgarten errichtet worden waren.

Im Jubiläumsjahr 1977, 150 Jahre nach Gründung der "Städtischen Anstalt", wurde ein Kapitel Klever Sozialgeschichte beendet. Die Senioren des "Hotels Haus Styrum" verließen Kleve ebenso wie die Ordensfrauen. Beim letzten Auftritt der Barromäerinnen im Ratssaal wurde der Wunsch geäußert, der Name "Münze" sollte erhalten bleiben. Dies ist passiert. Was aber noch wichtiger als der Fortbestand des Namens für das Kinderheim ist, war, das der Geist der Schwestern in dem so viel Gutes getan wurde, erhalten blieb.

(RP/rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort