Kleve Die Schnellen fressen die Langsamen

Kleve · Zukunftswerkstatt der Volksbank Kleverland und der Rheinischen Post: Die Städte der Region müssen noch mehr für ihre Lebensqualität werben, müssen sich weiterentwickeln, um im Ringen um Fachkräfte konkurrenzfähig zu bleiben.

 Hans-Josef Kuypers, Matthias Grass, Manfred Bergsch, Luise Paeßens, Theo Brauer, Peter-Severin Seidel, Stefan Dietzfelbinger, Joachim Beisel, Carl-Heinz Cronenberg, Jürgen Loosen (v.l.).

Hans-Josef Kuypers, Matthias Grass, Manfred Bergsch, Luise Paeßens, Theo Brauer, Peter-Severin Seidel, Stefan Dietzfelbinger, Joachim Beisel, Carl-Heinz Cronenberg, Jürgen Loosen (v.l.).

Foto: KDS

Kreiswirtschaftsförderer Hans-Josef Kuypers kann die Zahlen im Schlaf herunterbeten: 4300 Schüler verlassen 2013 die Schulen im Kreis Kleve, 2012 waren es 3400. Durch das Doppel-Abi streben über 800 junge Menschen zusätzlich auf den Ausbildungsmarkt oder ins Studium. Aber Kuypers hat auch den Blick nach vorn gerichtet: 2020 sind es nur noch 2800 Schüler, die die Kreis Klever Schulen verlassen werden. Mit diesem Blick nach vorn erweiterten Kuypers und Dr. Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer in Duisburg, das Thema der Zukunftswerkstatt von Volksbank Kleverland und Rheinischer Post nach der RP-Ausbildungsserie.

Das Thema lautete: "Doppelter Jahrgang — bilden Sie über Bedarf aus?" Diskutiert wurde aber auch, wie man künftig junge Menschen, möglichst noch mit einer guten Ausbildung, an die Betriebe in der Region binden kann. Ein Problem, das Carl-Heinz Cronenberg, Leiter Personalwesen der Katholischen Kliniken im Kreis Kleve (KKiKK), kennt: Ärzte sind Mangelware in Deutschland, aber auch Pflegepersonal muss gewonnen werden. "Wir sehen, wie alle anderen Krankenhäuser auch, einer schwierigen Zeit entgegen. Wir haben immer mehr ältere Patienten auf immer weniger Pflegende. Schon jetzt sind wir weltweit auf der Suche, Personal zu finden", berichtet Cronenberg. Hoffnungen setzt er auch auf einen neuen Bachelor-Studiengang zur Pflege. Luise Paeßens wiederum hat den jetzigen Doppel-Jahrgang im Blick — sie hat gerade in Kalkar ihr Abitur gemacht. Und weiß, dass viele Schüler in eine Ausbildung statt ins Studium streben, wohl auch aus Sorge um den Numerus clausus. Sie selbst möchte gerne Zahnmedizin studieren, wird aber, trotz eines voraussichtlichen Abi-Schnitts mit einer Eins vorm Komma, wohl nicht auf Anhieb in Deutschland Zahnmedizin studieren können.

Dietzfelbinger und Kuypers konnten auf die vielen Betriebe verweisen, die zusätzlich ausbilden. Manfred Bergsch, Spectro-Geschäftsführer, wies aber auch auf Probleme mit den jüngeren Jahrgängen hin, die jetzt Abi machen: Die haben oft noch nicht den Führerschein, um beispielsweise als Physiklaboranten zur Berufsschule nach Mülheim fahren zu können. Er betonte, dass Spectro vor allem versuche, das hohe Ausbildungsniveau seiner Lehrlinge zu halten — und dafür gerne 400 000 Euro im Jahr investiere. Eine gute Investition: Können die meisten doch im Betrieb gehalten werden. Es sei auch der gute Ruf des Unternehmens, der den Spectro-Standort Kleve für Akademiker interessant mache. Das konnte auch Joachim Beisel, Generalbevollmächtigter der Volksbank Kleverland, bestätigen: "Das Unternehmen macht's". Junge Akademiker in der Stadt zu halten sei schwierig, bemerkte Cronenberg. Wenn sie mit der Familie zum Vorstellungsgespräch kämen, dann wollte die Familie gleich wieder weg. Denn die von Bürgermeister Theo Brauer zu Recht angeführte hohe Lebensqualität, die niedrigen Lebenshaltungskosten in der Stadt - die kennen die meisten gar nicht. "Das ist kein klassisches Problem für Kleve. Das trifft auch andere Städte der Region wie Geldern oder Wesel", sagt Dietzfelbinger. Er appellierte, gemeinsam die Städte und Gemeinden zu "pushen". Man müsse gezielt die Vorteile der Region Niederrhein herausstellen. Cronenberg: "Kleve ist attraktiv — vielleicht tun wir nur zu wenig, dies überregional bekannt zu machen". Andererseits seien aber auch die Städte selbst gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen. "Städte werden in ihrer Gesamtheit wahrgenommen. Dazu gehört auch die Entwicklung. Düsseldorf ändert sich fortwährend. Wir sind zwar nicht Düsseldorf — aber: Städte, die mit Stadtentwicklungsprozessen zu lange warten, geraten ins Hintertreffen", mahnte Dietzfelbinger. Bergsch brachte es auf den Punkt: "Die Schnellen fressen die Langsamen". Theo Brauer setzt hier auf die angestoßene Entwicklung der wachsenden Stadt und den Schub durch die Hochschule.

(RP/ac)
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