Niederrhein Die schnelle Hilfstruppe

Niederrhein · Suchen und Retten: Die Stiftung I.S.A.R. agiert als Hilfsorganisation von Duisburg aus für die ganze Welt. Im Fokus ist die Rettung mit Hunden, dabei ist das Portfolio der Hilfsangebote viel größer.

Niederrhein: Die schnelle Hilfstruppe
Foto: Hans-Juergen Bauer

Im normalen Arbeitsleben sind die Helfer Zimmerleute, Feuerwehrmänner, Ingenieure oder arbeiten, wie im Falle von Daniela Lesmeister, als Leiterin der Abteilung Polizei im NRW-Innenministerium. Wenn allerdings irgendwo auf der Welt eine Katastrophe geschieht, bei der die Duisburger Stiftung International Search And Rescue (I.S.A.R.) mit ihrer Kenntnis helfen kann, dann wird von Duisburg aus eine logistische Kette in Gang gesetzt, an deren Ende die Hilfe schneller als bei den meisten anderen Organisationen im Krisenland ankommt. "Schnell rein, schnell raus, bis die Großen da sind", das ist laut Daniela Lesmeister das Prinzip ihrer Organisation I.S.A.R., die schon mit vielen Auszeichnungen bedacht worden ist, weil die Ehrenamtler auf gewisse Art das Gegenmodell zur manchmal über-institutionalisierten Hilfe anderer Krisenorganisation ist. Gegründet wurde I.S.A.R zwar von Hundefreunden, als Rettungshundeteam wird die Gruppe meist medial wahrgenommen, und doch ist das Spektrum der Hilfsangebote heute viel größer.

Niederrhein: Die schnelle Hilfstruppe
Foto: CDU KK

Am Niederrhein ist I.S.A.R. beheimatet, aber die Mitglieder kommen aus allen Teilen Deutschlands. In Weeze finden die Hundetrainings statt, in Duisburg ist Geschäftssitz. Daniela Lesmeister ist eine der Initiatorinnen der 2003 gegründeten Organisation. Ein Erdbeben in Indien 2001 war die Motivation, I.S.A.R. auf die Beine zu stellen. "Wir waren damals sechs Hundehalter", sagt die promovierte Juristin aus Kleve, die als Kommissarin in Gelsenkirchen begann, ab 2014 Leiterin des Ordnungsdezernats in Duisburg war und mittlerweile die Polizeiabteilung im NRW-Innenministerium leitet. Ihre Hilfsorganisation I.S.A.R. leitet sie ehrenamtlich, als Geschäftsführer fungiert ihr Mann, einen kleinen Stamm von Mitarbeitern auf Minijobbasis beschäftigt I.S.A.R. Daniela Lesmeister sagt: "Wir wollen schneller und effektiver sein als andere." Wichtig sei es für sie auch, dass ihre Organisation politisch unabhängig ist. Lesmeister selbst ist Christdemokratin, doch steht für sie dieser Aspekt nicht im Mittelpunkt. "Ob und wo wir helfen, das entscheiden wir selber. Es gibt keine politischen Verquickungen bei unserer Organisation."

Der Ruf, die etwas andere Hilfsorganisation zu sein, hat die Stiftung bekannt gemacht. Es gibt deshalb viele Anfragen interessierter Helfer. Immer nach einem internationalen Katastropheneinsatz ist das Szenario bei der Stiftung das gleiche: Hunderte Anrufe gehen dann ein, weil sich wieder Menschen ehrenamtlich engagieren wollen. 170 Mitglieder hat I.S.A.R. mittlerweile, und Daniela Lesmeister sagt bewusst: "Wir wollen nicht mehr wachsen." Neue Helfer seien zwar immer nötig, weil andere beruflich bedingt oder aus Altersgründen ausscheiden. Man wolle aber generell nicht den Charakter einer kleinen flexiblen Einheit verlieren, die bei Naturkatastrophen mit Sofort-Hilfe reagieren kann.

Dieser schlanke Apparat war auch Anlass für Heinz-Dieter Konrad von der Bauhaus-Geschäftsführung, sich bei I.S.A.R. zu engagieren, sowohl als Spender als auch vor Ort. Kürzlich erst hat Konrad ein Wiederaufbauprojekt von I.S.A.R. in Thailand besucht, um sich überzeugen zu lassen, wie die Hilfe vor Ort ankommt. Zusammen mit Bewohnern wurden dort einige Häuser eines Dorfes wieder aufgebaut. Konrad sagt: "Ich gehe auf den Ruhestand zu und suche nach einer sinnvollen Betätigung." Konrad will sich für I.S.A.R. engagieren - weil er von Lesmeisters Plänen überzeugt ist.

Zehn bis 14 Tage dauern die I.S.A.R.-Einsätze meist, in dieser Zeit werden die Helfer von ihren Arbeitgebern freigestellt oder nehmen Urlaub. Die Liste der Rettungseinsätze ist mittlerweile lang: Peru, Pakistan, Indonesien, Nepal, Haiti, Mexiko. Jeder Einsatz hat seine eigenen Herausforderungen, immer lernt die Gruppe dazu. Prägend sei in dieser Hinsicht ein Einsatz in Pakistan gewesen, berichtet Lesmeister. Mit Hubschraubern ist eine I.S.A.R.-Hilfsgruppe damals in ein pakistanisches Bergdorf geflogen worden, die Hubschrauber verschwanden wieder, was aber fehlte, waren medizinische Gerätschaften, Verbandsmaterial. Aus allen Himmelsrichtungen seien die Bewohner der Krisenregion damals auf die Helfer zugelaufen, aber man habe nicht direkt helfen können, sagt Lesmeister. "Daraus haben wir viel gelernt."

Während medial die Hilfe mit Rettungshunden bei I.S.A.R. im Fokus ist, macht sie bei der eigentlichen Stiftung nur noch 20 Prozent des Rettungseinsatzaufkommens aus. "Wir sind gewachsen durch viel Know-how, Engagement und auch Glück", sagt Lesmeister. Wichtig sei dabei die Zusammenarbeit mit den großen Hilfsorganisationen. "Es gibt bei solchen Einsätzen immer einen Dialog."

Es gibt eine strenge Aufnahmeprüfung, in der neue Mitglieder ihre Hilfskraft unter Beweis stellen müssen. Die Altersstruktur ist jung. Unter den 170 Helfern sind Feuerwehrleute, Zimmermänner, Ingenieure. Viele Talente werden gebraucht. Und jeder Einsatz geschieht ehrenamtlich. Mit Stolz verweist Lesmeister darauf, dass I.S.A.R. von der UN zertifiziert worden ist. Seit 2007 arbeitet man unter dem Dach der Vereinten Nationen, als "Medium Team" ist man geprüft und zertifiziert. I.S.A.R. musste damals nachweisen, dass sich das Team bei weltweiten Einsätzen mindestens zehn Tage autark in Katastrophengebieten bewegen kann und internationale Standards bei der Suche und Rettung von vermissten und verschütteten Menschen eingehalten werden. In den Jahren 2012 und 2017 konnte die Zertifizierung erfolgreich wiederholt werden. Wenn sich eine Markierung der UN auf dem Pullover befindet, helfe dies bei manchem Rettungseinsatz sehr, verleihe den Helfern auch mehr Autorität. "Dadurch bekommt man besser Zugang zum Land", sagt Lesmeister.

Obwohl sie nicht mehr die Hauptarbeit der Stiftung ausmachen: Die Hunde sind weiterhin ein wichtiger Aspekt der Rettungsarbeit. In Weeze trainieren regelmäßig die Rettungshunde, viele davon Schäferhunde. "Das sind keine Spielhunde, für die Tiere bedeutet ein Rettungseinsatz Strapazen", sagt Lesmeister. "Der steigt bei minus zehn Grad in den Flieger und bei 30 Grad wieder raus, muss dann nach Verschütteten suchen. So etwas will trainiert sein. Im vorigen Jahr hat sich die I.S.A.R.-Mannschaft für eine groß angelegte Übung in der Schweiz getroffen.

I.S.A.R. lebt von den Spenden. Kontrolliert wird das durch die "Initiative transparente Zivilgesellschaft". Alles werde offengelegt, betont Lesmeister. Aus diesen Spenden wird auch das Equipment der Mannschaft finanziert. 18 Tonnen Logistik hat die Stiftung vorrätig, gelagert in Weeze: Zelte, Trinkwasseranlagen, Ausrüstung, Generatoren, medizinische Geräte. Das Feldlazarett von I.S.A.R kann 200 Personen am Tag versorgen. Eine Medikation für 10.000 Personen über eine Strecke von drei Monaten wird bei I.SA.R. vorgehalten. "Wir haben damit bei der UN etwas angestoßen, was es in dieser Form bis dahin noch nicht gab", sagt Lesmeister. All diese Komponenten müssen gewartet, überprüft, nach Einsätzen verstaut werden - damit beim nächsten Einsatz I.S.A.R. vom Niederrhein aus wieder schnell reagieren kann. www.isar-germany.de

(RP)
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