Unsere Besten - 9 Die Meisterin des Tabubruchs

Kleve · Sie hat gekämpft, immer. Für sich, für ihren Mann. Sie kämpft weiter für die Menschen, die am Ende ihres Lebens stehen. Die Klever Medizinjournalistin im Unruhestand Marlene Linke – eine der Besten in Kleve.

 Die Klever Journalisitin Marlene Linke arbeitete früher für das Gesundheitsmagazin Praxis.

Die Klever Journalisitin Marlene Linke arbeitete früher für das Gesundheitsmagazin Praxis.

Foto: Gottfried Evers

Sie hat gekämpft, immer. Für sich, für ihren Mann. Sie kämpft weiter für die Menschen, die am Ende ihres Lebens stehen. Die Klever Medizinjournalistin im Unruhestand Marlene Linke — eine der Besten in Kleve.

Sie ist schamlos. Sie provoziert. Und das in einem ganz und gar anständigen Sinne. Die Klever Journalistin Marlene Linke (76) ist eine Meisterin des Tabubruchs. Als alt werden noch kein Thema war, als Demenzerkrankungen noch Verkalkung hießen und qualvolle Schmerzen als still zu ertragendes Schicksal galten, machte sie den Mund auf. Nein, es sei nicht richtig, aus Angst vor Mitteln wie Morphium, aus Unkenntnis und bequemlichkeit Menschen qualvoll sterben zu lassen, sagte sie. Zu Zeiten, als Sterben noch viel mehr tabu war als heute. Schon ihre eigene, öffentlich gemachte Krankengeschichte war ein solcher Tabubruch. Jahrzehnte liegt es zurück, da erklärte Marlene Linke den ZDF-Zuschauern des Gesundheitsmagazins Praxis" den Krebs. Die Krankheit, die man hatte, über die aber damals auch noch nicht wirklich offen gesprochen wurde. Linkes Film, der so schwierige Zusammenhänge so einfach verständlich machte, wurde preisgekrönt.

Vorbereitet gehen

Sie hätte sich zurücklehnen können, den Erfolg genießen. Aber für Marlene Linke fing da die — ehrenamtliche — Arbeit erst an. Nein, Menschen sollen nicht unter schweren Schmerzen sterben. Und sie sollen, wenn es eben möglich ist, nicht in einem Krankenhaus sterben dürfen, sondern daheim. Schmerzfrei, bewusst, in vertrauter Umgebung. Sollen friedlich und vorbereitet "gehen" dürfen. Jeder würde das unterschreiben. Aber Marlene Linke hatte die Rechnung ohne die Pfründeverwalter gemacht. Krankenkassen fürchteten zusätzliche Kosten. Krankenhäuser um ihre vermeintlich ureigene "Kundschaft". Ärzte hatten Angst davor, auch als Drogen geeignete Medikamente einzusetzen. Wohl hier und da auch Angst vor der Verantwortung, die die ambulante Betreuung eines Sterbenden mit sich bringt. Und alle zusammen hatten Angst vor dem, was "wir noch nie so gemacht" haben.

Nicht müde

Aber: Marlene Linke wurde und wird nicht müde, zu zeigen: So was geht, es muss einfach gehen. Um der Menschlichkeit willen. Sie bleibt laut und lästig. Tauchte unlängst beispielsweise ganz ohne Einladung auf einer Pressekonferenz zum Thema Palliativversorgung auf, um zu sagen: Was ihr macht, ist schon ganz gut, aber das reicht noch lange nicht. Da und da sind die Schwachstellen in eurem Konzept. Keiner weiß, ob ihre persönliche Kraft langt, zu eigenen Lebzeiten dieses Ziel zu erreichen. Hier, auf dem Lande. Jeder weiß: Sie gibt nicht auf. Viel von ihrer Lebenskraft hat sie gelassen, weil sie ihre eigenen Ansprüche vorbildlich lebte. Ehemann Klaus, vor etlichen Jahren verstorben, war, an Demenz erkrankt, ein Schwerstpflegefall. Einer von denen, bei denen "man" sagt: Das geht nicht mehr zuhause, das kannst du nicht. Marlene Linke konnte es. Rund um die Uhr, rund ums Jahr. Und strafte alle Zweifler Lügen. Wieder einmal.

(RP/jul)
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