Kleve Die Hüter der Zeit

Kleve · Der Hutkalender 2012 zeigt jeden Monat Bewohner aus dem Seniorenhaus Burg Ranzow mit verschiedenen Kopfbedeckungen. Zwei von ihnen erzählen exemplarisch aus ihren bewegten Leben.

 Elisabeth Stosch wohnt seit 2004 in Burg Ranzow.

Elisabeth Stosch wohnt seit 2004 in Burg Ranzow.

Foto: Kalender (2)

Es sind wunderbare, ausdrucksstarke Gesichter, die in einem "Hutkalender 2012" gezeigt werden und die sinnbildlich die "Hüter der Zeit" verkörpern sollen. Dieser ist jetzt erschienen und käuflich zu erwerben.

Stellvertretend für die Bewohner aus dem Seniorenhaus Burg Ranzow, die mit unterschiedlichen Hüten als Kopfschmuck dargestellt sind, sprach die RP mit dem 97-jährigen Gerhard Bouwmeister und der 94-jährigen Elisabeth Stosch.

Gerhard Bouwmeister, 1914 in Brienen geboren, wohnt seit April 2010 in Burg Ranzow. Seine Eltern hatten eine kleine Landwirtschaft. Mit 16 Jahren begann er eine Lehre in der Küferei in Kleve und war dann später ein Leben lang technischer Angestellter bei der Margarine-Union in Kellen.

Seine Leidenschaft waren die Feuerwehr und die Musik. So war er sowohl bei der Freiwilligen Feuerwehr Kleve als auch bei der Union-Werksfeuerwehr zuhause und spielte Zugposaune und Bass in beiden Musikkapellen. Oft ging es nach dem Krieg zu Bränden in den Reichswald.

"Einmal haben wir bei Bundeskanzler Konrad Adenauer die Parade gespielt", erinnert sich Bouwmeister an einen ganz besonderen musikalischen Auftritt. In der Silvesternacht lauschte er den Glocken und den Schiffssirenen auf dem Rhein. Schmerzlich war für ihn, dass vor sieben Jahren seine Frau verstarb.

Auf viele gute Erinnerungen aus ihren Kindertagen kann Elisabeth Stosch, 1917 in Oberschlesien direkt an der polnischen Grenze geboren, zurückblicken. Im Kindergarten durfte sie den Bischof mit einem Blumensträußchen und einem Gedicht begrüßen. Silvester wurde selbstgebackener Mohnkuchen gegessen.

Um Mitternacht zogen die Bauern mit ihren Stalllaternen auf dem Pferdeschlitten im hohen Schnee zur Jahresschlussandacht zur Kirche. Dann durften auch die Kinder länger aufbleiben. Im Sommer aber mussten sie früh schlafen gehen. "Dann ging es heimlich durchs Fenster in den Garten, wo uns die Radieschen und Weintrauben schmeckten". Später gab es bei Schwester Clarissa Handarbeitskurse.

Erschüttert schildert die Seniorin, die seit November 2004 in Burg Ranzow wohnt, die wochenlange Flucht ab Januar 1945 mit ihrer Mutter im Rollstuhl von Oberschlesien in den Westen. Gerne haben die beiden Bewohner, zusammen mit anderen Senioren und Mitarbeitern von Burg Ranzow und mit der Unterstützung durch das Fachseminar für Alten- und Familienpflege, an der Erstellung des beeindruckenden Jahreskalenders mitgewirkt.

Während die Schüler sich mit den älteren Menschen dem Thema näherten, übernahm Altenpfleger René Jansen die Fotografie und Technik. "Eine gelungene Projektarbeit und ein schönes Geschenk sind daraus entstanden", freut sich Georg Aengenheister aus der Verwaltung von Burg Ranzow.

(stw)
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