Kleve Die Affäre um die Fähre

Kleve · Die Stadtwerke Kleve schränken den Fährbetrieb nach Schenkenschanz drastisch ein. Die Zahl der Betriebsstunden wird zukünftig halbiert. Die Einwohner der Halbinsel sehen die Zukunft des Ortes in Gefahr.

Aus der Sicht eines Buchhalters ist die Fähre Martin Schenk nichts anderes als ein Kostenfaktor, der mit 1096 Euro pro Tag die Bilanz der Stadtwerke Kleve belastet. Für die 120 Einwohner der Ortschaft ist das stählerne Monstrum allerdings mehr als nur ein geldverschlingendes Verkehrsmittel — es ist das Zeichen dafür, ob die Stadt Kleve sich überhaupt noch für die Menschen auf der entlegenen Halbinsel interessiert und sich um sie kümmert.

Fährbetrieb eingeschränkt

Derzeit prallen die beiden Welten mit voller Wucht aufeinander. Der Grund: Die Stadtwerke haben angekündigt, den Fährbetrieb drastisch einzuschränken. "Damit setzen wir den Willen der Politik um", so Arnold Lamers, Prokurist der Stadtwerke Kleve GmbH. Statt wie bisher 16 Stunden täglich soll Martin Schenk von März an nur noch 9,5 Stunden zwischen den Ufern hin und hertuckern, um Personalkosten zu sparen. An den Wochentagen wird vor allem in den Morgenstunden gekürzt, an den Wochenenden spätabends - insgesamt geht die Zahl der Betriebsstunden von 6000 auf 3500 zurück. Die Folgen betreffen beispielsweise Schüler, die nach Kleve müssen. Sie können morgens nicht mehr den kürzesten Weg mit der Fähre nehmen, sondern müssen über Griethausen fahren.

Allerdings geben die Stadtwerke zu bedenken, dass die Nachfrage in den frühen Morgenstunden nicht sonderlich hoch war. "Zwischen sechs und zehn Uhr haben wir im Durchschnitt nur fünf Überfahrten", so Lamers — also rund eine pro Stunde. Das heißt, die Fähre ist etwa eine Minute im Einsatz und liegt dann 59 Minuten am Ufer und wartet auf den nächsten Kunden. Eine schriftliche Befragung der Einwohner, wie die Betriebskürzung konkret umgesetzt werden soll, erbrachte laut Stadtwerke-Geschäftsführer Rolf Hoffmann nur fünf Rückmeldungen. Daraus jedoch zu schließen, dass den Einwohnern der Insel die Fähre egal ist, wäre falsch: Die meisten Rücksender nutzten das Antwortformular für etwas grundsätzlicher formulierte Meinungsäußerungen.

Die Nutzungszahlen belegen, dass nicht nur Tagestouristen und sonstige Besucher der Halbinsel Interesse an der pittoresken Überfahrt zwischen den Deichen haben: 2009 verzeichnete die Martin Schenk rund 40 000 Fahrgäste, 55 Prozent davon waren Schänzer. Im vergangenen Jahr verloren sie wegen knapper Kassen allerdings ihr Privileg der kostenlosen Überfahrten. Seitdem kostet die Überfahrt für einen Erwachsenen einen Euro, ein Auto wird mit zwei Euro berechnet. Allerdings lassen sich durch den Kauf von Wertkarten bis zu 60 Prozent Rabatt erzielen.

Die meisten Schänzer reagieren erbost auf die Kürzungspläne, doch mit Rücksicht auf die bevorstehende 425-Jahr-Feier halten sich die Verantwortlichen im Ort noch mit Kritik zurück. Und so erfährt man nur hinter vorgehaltener Hand, dass die Streichung der Betriebszeiten "unsinnig" sei und die Zukunft des Ortes gefährde. So richtig anfreunden konnten sie sich mit der 2003 angeschafften, 500 000 Euro teuren, häufig defekten und immer etwas überdimensioniert wirkenden Martin Schenk allerdings auch nicht.

"Das Schiff stellt doch schon bei Windstärke 3 den Fährbetrieb ein. Das ist doch lächerlich", berichtet ein alter Schänzer. "Ich bin früher nachts ohne Licht noch bei Windstärke 8 zu meiner Verlobten nach Düffelward gerudert." Wenn es so weitergeht, wird das womöglich auch wieder die Zukunft sein.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort