Das Ende des Kohlenhändlers Der Ofen ist aus

In der Reihe „Ausgestorbene Berufe“ geht es heute um den Kohlenhändler. Öl und Gas sorgten für den Niedergang.

 Die Brüder Helmut (l.) und Günter van Hoof mit dem Firmenschild des Kohlenhandels. Den Betrieb eröffente ihr Vater 1950 in Materborn eröffnete.

Die Brüder Helmut (l.) und Günter van Hoof mit dem Firmenschild des Kohlenhandels. Den Betrieb eröffente ihr Vater 1950 in Materborn eröffnete.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Am Ende war es nur noch zermürbend. Jakob van Hoof saß in seinem Büro, das eher eine Hütte war, und wartete auf Anrufe für Bestellungen. Aber es kamen kaum noch welche. Zu wenig, um seinen Betrieb aufrechtzuerhalten. Van Hoof war Kohlenhändler. Sein Platz lag an der Siegfriedstraße in Materborn. Verließ er seinen Schuppen, blickte er auf Berge von Koks oder Briketts, die nicht kleiner wurden. Es war 1975 als der Kohlenhändler sich dazu entschied, seinen Betrieb aufzugeben. Er hatte die Firma aufgebaut und schloss sie ein Vierteljahrhundert später auch wieder.

Jakob van Hoof wurde 90 Jahre alt. Seine Söhne Helmut (71) und Günter (69) sind mit dem Kohlenhandel aufgewachsen. Sie fuhren im Wagen mit und schleppten die Säcke in Keller oder auch Etagen hoch. Die Brüder haben die Blütezeit des Geschäfts ebenso miterlebt, wie den rasanten Niedergang. Jede Sanierung, jede Dämmung eines Hauses sorgte dafür, dass der Kachelofen raus flog. Ebenso wie das Heizen mit Öl und später mit Gas für weniger Umsatz sorgte. Und der Rest des ehemaligen Kundenstamms starb.

Wenn Helmut von Hoof von den Tagen erzählt, ist das erste Thema seine Eltern. „Mein Vater kam aus dem Krieg und hatte Nichts. Er fing bei Null an“, sagt er. Norwegen, Russland, Frankreich – in mehreren Ländern war er an der Front. Zurück am Niederrhein arbeitete er bei seiner Schwester. Die besaß in Geldern einen Kohlenhandel, der lukrativ war. So kam er auf die Idee, den Betrieb in Kleve zu eröffnen. „Es war riskant. Alles musste von der Bank finanziert werden“, erinnert sich Günter. Das Gelände war zunächst an der Hornstege. Später zog man in die Siegfriedstraße um. Größere Fläche bedeutete auch mehr Umsatz. Wie groß der Bedarf an Briketts war, zeigt die Zahl der Händler. Im Umkreis von nur drei Kilometern gab es fünf Unternehmen, die Kohle verkauften. Mit Briketts beladene Wagen eines schwarz bestäubten Kohlenhändlers prägten das Stadtbild.

In den ersten Jahren holte der Vater die Kohle in Kamp-Lintfort bei der Zeche Friedrich Heinrich ab. Später wurde sie geliefert. Eine Tonne des schwarzen Golds lag dann auf dem Hof, das die Mutter Maria dann in 50 Kilo schwere Säcke abfüllte. „Ich habe großen Respekt vor meiner Mutter. Es war extrem, wie sie körperlich gearbeitet hat. Aber wir alle mussten mithelfen“, sagt Helmut. Mit 13 Jahren saß er neben seinem Vater im Dreikraftfahrzeug, Marke Goliath, und belieferte die Kunden. Der 71-Jährige erinnert sich auch deshalb so gut an die Zeiten, weil sie für Schmerzen sorgten. Es war das Kreuz, dass er und sein Bruder jeden Tag nach der Arbeit spürten. 50 Kilo schwere Säcke wurden über den Rücken geworfen und teilweise 50 Meter hinters Haus zu einem Schuppen geschleppt. Eine Etage hoch war ebenso mühsam wie durch 1,50 Meter hohe Keller laufen. Mehrere bestellte jeder Haushalt. Einer wog umgerechnet fünf Kisten Bier. Geld gab es dafür nicht. Ihr bekommt nachher doch sowieso alles, habe der Vater stets betont.

Samstags war Großkampftag. Plötzlich fiel den Leuten auf, dass Kohlen fehlten. „Wir haben immer bis 18 Uhr gearbeitet, bevor wir dann zum Granny oder ins Whisky zu Detlef gingen“, beschreibt Günter den typischen Verlauf dieses Tages.

In den 50er und 60er Jahren florierte das Geschäft, was sich auch durch ein breiteres Angebot und ein neues Auto bemerkbar machte. Es gab mehr Kohlesorten und einen VW-Transporter. Der Handel mit Kohlen war ein einträglicher, bis der Abschwung von Jahr zu Jahr an Fahrt gewann. Irgendwann stockte der Verkauf bereits im Winter. Für die Händler reichte es dann nicht mehr, um über den Sommer hinaus zu kommen. Als Vater van Hoof merkte, dass nichts mehr zu retten war, rauchte er immer mehr und erlitt einen Herzinfarkt.

Günter van Hoof war vorgesehen, das Geschäft zu übernehmen. Doch dazu kam es nicht mehr. Die Firma wurde geschlossen. Neben dem Betrieb hatte die Familie sich ein zweites Standbein aufgebaut. Als Transportunternehmen wurde man für Fahrten gebucht. Bis die großen Speditionen auch hier für das Ende sorgten. Die Brüder mussten sich beruflich verändern. Der 69-jährige Günter hatte Speditionskaufmann gelernt, bevor er Krankenpfleger umschulte und schließlich Pflegedienstleiter in der damaligen Rheinischen Landesklinik wurde. Helmut van Hoof begann eine Lehre zum Industriekaufmann bei der Union und studierte später. Als Lehrer unterrichtete er am Berufskolleg im kaufmännischen Bereich die Fächer BWL und Pädagogik.

 Helmut van Hoof (l.) steht mit Günter vor dem dreirädrige Lastkraftwagen aus dem Hause Borgward. Mutter Maria lehnt sich locker an das Fahrzeug und Vater Jakob sitzt am Lenkrad.

Helmut van Hoof (l.) steht mit Günter vor dem dreirädrige Lastkraftwagen aus dem Hause Borgward. Mutter Maria lehnt sich locker an das Fahrzeug und Vater Jakob sitzt am Lenkrad.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Mit Wehmut schauen die Brüder van Hoof nicht auf die Zeit zurück. Sie gehören zu den wenigen, die noch erlebt haben, wie man mit dem Verkauf von Kohlen Geld verdienen konnte. Als Haushalte sie gegen die klirrende Kälte des Winters brauchten. Aber selbst den gibt’s schon nicht mehr.

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