Kleve Der Kühlschrank gehört in die Nummer 3
Kleve · Jedes Wochenende entsorgen über 600 Klever ihren Müll auf dem Wertstoffhof. 23 Container und zwei Mitarbeiter sorgen für Ordnung.
Die Schlange an der Wilhelm-Sinsteden-Straße wächst und wächst. Rund 20 Fahrer warten darauf, ihr Auto durch die Einfahrt der Hausnummer eins rollen lassen zu können. Der Motor eines alten Golfs knattert, graue Abgaswolken steigen in die Luft. Köpfe lehnen durch die Auto-Fenster und spähen nach vorne, Fingerkuppen trommeln auf den Lenkrädern. Die vielen Menschen warten nicht im MC-Drive auf frische Burger und Pommes, sie warten vor der Empfangsstelle am Wertstoffhof Kleve. Sie wollen ihren Müll entsorgen.
"Fernseher? In die 1", ruft Ralf Sauret und läuft im Slalom zwischen den Fahrzeugen her. "Stop, stehenbleiben! Sind Sie fertig? Dann bitte hintenrum rausfahren." Der Facharbeiter für Kreislauf- und Abfallwirtschaft reißt die Arme in die Luft und zeichnet mit den Händen einen Kreis im Uhrzeigersinn. "Die Leute nehmen keine Rücksicht, jeder will hier der Erste sein", sagt Sauret. "Deswegen muss ich etwas Ordnung reinbringen."
Seit der Eröffnung 2007 sorgt Sauret dafür, dass alles Mitgebrachte ordnungsgemäß entsorgt wird. Keine leichte Aufgabe, immerhin gibt es 23 verschiedene Container. Donnerstags bis samstags hat der Wertstoffhof geöffnet. Und der Andrang sei immer groß, sagt Frank Heymen, Leiter der städtischen Entsorgung. "Pro Tag haben wir im Schnitt 200 bis 300 Anlieferer." So kämen an einem Wochenende rund 600 Kunden.
Besonders viel Andrang gibt es nun nach dem schweren Unwetter. Der Regen setzte unzählige Keller unter Wasser, vieles was dort stand, ist nun reif für den Container. Auch Rolf Heinen ist betroffen. Der Klever aus dem Stadtteil Materborn hievt einen Staubsauger aus dem Kofferraum seines Hondas und steuert Richtung Container Nummer 4 - für Haushaltskleingeräte. "Das ist schon meine zweite Fahrt heute, alle Transporter sind ausgebucht", erzählt Heinen. "Das Wasser stand 30 Zentimeter hoch bei uns. Jetzt muss alles weg."
Dass der Andrang auf dem Hof wächst, belegen Zahlen aus den vergangenen drei Jahren. Brachten die Klever 2015 rund 115 Tonnen Holz, entsorgten sie 2017 bereits 139 Tonnen, ein Plus von 19 Prozent. Zudem warfen die Klever 2017 auch deutlich mehr Speergut (500 Tonnen, plus 18 Prozent) und gemischte Verpackungen (53 Tonnen, plus 13 Prozent) weg. "Die Bereitschaft zum Wegschmeißen wird bei den Menschen größer", sagt Heymen. "Wir leben in einer Wegwerf-Gesellschaft." Auch die Zahl der Anlieferer ist gegenüber 2015 um 16 Prozent von 37.271 auf 43.267 im Jahr 2017 gestiegen.
Motoren grummeln, nur schleichend bewegt sich die Autoschlange fort. Hendrik Brosch hechtet von Fenster zu Fenster. "Guten Morgen, was haben Sie dabei?". Mit der rechten Hand tippt der 23-jährige Auszubildende auf dem Display seines mobiles Kassensystems. Würde er keine orangene Warnhose tragen, könnte man ihn auch für einen Fahrkarten-Kontrolleur halten. "Das Holz in die sechs, den Teppich in die vier und für die Restmüllsäcke bekomme ich 6,30 Euro, bitte", rechnet Brosch vor, wünscht ein schönes Wochenende und saust zum nächsten Fahrzeug.
Neben Hausmüll kosten auch Baumischabfall, Grünzeug und Bauholz. Abgerechnet wird nicht nach Gewicht, sondern nach Volumen und Augenmaß. "Für 100 Liter nehmen wir 2,10 Euro", sagt Heymen. "Nicht selten kommt es vor, dass Kunden die Menge anders einschätzen und weniger zahlen wollen." Dann würde manch einer anfangen, zu feilschen. Aber schließlich sei der Wertstoffhof kein orientalischer Basar, die Mitarbeiter weichen nicht von den Preisen ab. So sind auch die Kosten für Autoreifen fest: Die Entsorgung in Container Nummer 17 kostet pro Stück sechs, inklusive Felge sogar zwölf Euro.
Der Leiter der Klever Umweltbetriebe schlendert über den Hof und wirft einen Blick in die Container. In der Nummer 2 kuscheln sich vier Monitore und ein alter Computer an die Wand und zählen ihre letzten Stunden. Es ist noch reichlich Platz. "Jede Woche bekommen wir den voll", sagt Heymen. "Was viele Leute nicht wissen: Wenn sie einen neuen Fernseher kaufen, bezahlen sie bereits die Entsorgung mit." Denn der Hersteller zahlt wiederum regelmäßig einen bestimmten Betrag an die Entsorgungs-Unternehmen.
Vieles kann man auf dem Gelände des Wertstoffhofs kostenlos loswerden. Besonders beliebt und damit schnell gefüllt sind die Container 4, 5 und 7: Haushaltskleingeräte, Sperrmüll aus Holz und restliches Sperrgut. Wenn sie voll sind, rollt Ralf Sauret mit dem Bagger an und tauscht den gefüllten gegen einen leeren Container. "Den Montag und Dienstag brauchen wir, um den Hof nach dem Trubel am Wochenende wieder herzurichten", sagt Heymen. Während auf der rechten Seite des Hofs Hochbetrieb herrscht, ist der linke Teil wie ausgestorben. Dort entsorgen ausschließlich die städtischen Umweltbetriebe ihren Grünabfall und lagern Baumaterialien wie Steine, Kies und Sand.
Wenn am Tag mehrere hundert Menschen über den Hof wuseln, und fragen, ob ihr alter Campingstuhl in die 3 oder 4 muss, ist Ralf Sauret zur Stelle. Er bringt Ruhe "in den Laden". "Es ist immer hektisch hier und wir machen das zu zweit", sagt er. Dabei komme es öfter vor, dass jemand mit seinem Müll den Autoschlüssel oder die Armbanduhr wegschmeiße. "In den meisten Fällen findet sich alles wieder", sagt Sauret. "Sogar den geliebten Kinder-Teddybär konnten wir aus der Ritze des entsorgten Sofas befreien."