Kleve Der erste Fernseher stand bei Coenders

Kleve · Die Gaststätte "An de Poel" der Familie Josef Coenders war in Materborn über Jahrzehnte eine nicht weg zu denkende Institution. Marianne Thissen erinnert sich an viele Geschichten, die sich in der Kneipe ihrer Eltern zugetragen haben.

 Marianne Thissen, geborene Coenders, zeigt ihr mehr als 200 Jahre altes Elternhaus.

Marianne Thissen, geborene Coenders, zeigt ihr mehr als 200 Jahre altes Elternhaus.

Foto: Gottfried Evers

Marianne Thissen, geborne Coenders (70), hat unzählige Geschichten erlebt und gehört, die sich vor vielen Jahren bei ihren Eltern Jupp und Mine zugetragen haben. Stolz zeigt sie ein mehr als 200 Jahre altes Foto ihres Elternhauses in Materborn. In einem Album verwahrt sie Bilder vom Schankraum der Gaststätte, von sich und ihren Eltern.

"1954 gab es bei Coenders den ersten Schwarz-Weiß-Fernseher", erzählt die Gastwirtstochter. Der neue Saal war noch nicht fertig. Die Fenster wurden mit blauen Platten zugenagelt. Aus dem Platzhaus von Siegfried Materborn wurden Bänke und Tische geholt. Auf Steigerbrettern und Platten wurde alles aufgebaut. Somit hatten etwa 100 Personen Platz, um die Fußballspiele der WM anzuschauen. Nach dem Tor von Helmut Rahn fielen alle vor Freude übereinander. "Ich saß als Zwölfjährige oben auf der Theke und hatte den besten Platz", erinnert sich Marianne Thissen. Ab da kamen sonntags viele Gäste, um die Fernsehsendungen anzuschauen.

Die Materborner Kirmes wurde immer groß gefeiert. Bei den Firmen, besonders bei Elefantenschuh, hatten alle ab 11 Uhr frei. Beim Frühschoppen tranken die Damen ein Weinglas voll Korn mit zwölf Stückchen Zucker und feierten lustig. Um drei Uhr nachts war Sperrstunde. Wenn die Polizei dann kam, wurden die Beamten zur Küche geführt. Dort bekamen sie einen "Strammen Max", und alles war halb so schlimm. In der Gaststätte wurde auch viel Karten gespielt. Die jungen Burschen, Hänske, Franz, Heinz, Jenni und Bernd machten verbotene Skatrunden hinten im Saal in einer Ecke, damit keiner merkte, um was sie spielten. Doch Wirt Jupp bekam wie immer alles mit und verbot den jungen Burschen das Spielen um Geld.

Einmal wurden einem Eierhändler alle Eierlagen aus dem Auto, das vor der Gaststätte stand, gestohlen. Diese Eier wurden bei Mine in der Küche gebraten. Alle Gäste, auch der Eierhändler, wurden zum Eieressen eingeladen. Regelmäßig gab es auch den Schützenfrühschoppen. Dabei wollten einige Schützen in vorgerückter Stunde bei Jupp ein Schwein aus dem Stall holen und in der Wirtschaft laufen lassen. "Aber mein Vater hatte überall seine Augen, und der Spaß war schnell vorbei", lacht Marianne Thissen.

Bei einer Spielerversammlung musste der Fußballobmann in der Küche telefonieren. Durch einen langen Flur kam er an einem Regal vorbei, in dem ein Glas mit eingelegten Heringen stand. Der Obmann holte sich immer einen Hering heraus, später auch die Spieler. Schließlich waren freitags alle Heringe weg. Um den Täter zu überführen, legte die Wirtin eine Mausefalle in ein Einmachglas, und schon war der Obmann in der Falle.

(stw)
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