Nach Explosion verbrannt und gesunken Rhein-Niedrigwasser gibt altes Schiffswrack frei

Salmorth/Emmerich · Das Niedrigwasser im Rhein gibt derzeit am Ufer zwischen Kleve und Emmerich einen ganz besonderen Schatz frei: Das Wrack eines Schiffes, das am 19. März 1895 durch eine Explosion gesunken war. Die dramatische Geschichte dahinter.

Schiffswrack taucht am Rheinufer auf
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Schiffswrack taucht am Klever Rheinufer auf

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Foto: dpa/Arnulf Stoffel

Der niedrige Wasserstand entlockt dem Rhein seine Geheimnisse: Derzeit ist das 127 Jahre alte Wrack des aus Holz gebauten Frachtschiffs „De Hoop 1“ am Rheinufer bei Salmorth, gegenüber von Emmerich zu sehen. Es sank am 19. März 1895 nach der Explosion eines benachbarten Schiffes.

Von der „Elisabeth“, die 934 Kisten Sprengstoff geladen hatte, blieb nichts mehr übrig. Das Frachtschiff hinterließ nur einen zwei Meter tiefen Krater im Kiesbett des Rheins. 16 Menschen starben, weitere Schiffe wurden beschädigt oder brannten aus, darunter die „De Hoop 1“.

Die enorme Druckwelle der Explosion zog Höfe und Häuser im Umkreis von mehreren Kilometern in Mitleidenschaft. In der Emmericher Steinstraße barsten die Schaufenster, selbst auf Schloss Moyland in Bedburg-Hau wurden bleigefasste Fenster und ein Teil der Stuckdecke zerstört.

Die Chronologie der verlustreichen Schiffskatastrophe am unteren Niederrhein begann schon am 23. Januar 1895. Drei Tage lang verluden Arbeiter einer Dynamitfabrik in Köln-Porz viele tausend Kisten Guhrdynamit und Sprenggelatine. Sie sollten in Antwerpen auf den Überseedampfer „Chemnitz“ verladen und zu Goldbergwerken nach Afrika gebracht werden. Da die Niederlande maximal 30.000 Kilogramm Sprengstoff pro Rheinschiff zuließen, wurden die 7944 Kisten á 20 Kilogramm auf sieben kleinere Schiffe verteilt.

Die „De Hoop 2“ übernahm nur 44 Kisten, die für das niederländische Militär bestimmt waren, und löste sich früh von der Kolonne. Die Reise der sechs anderen Schiffe wurde Mitte Februar 1895 vorzeitig bei Salmorth gestoppt.

Das Treibeis auf dem Rhein drohte die Holzschiffe zu zerdrücken. Die Behörden ordneten an, dass sie im Vossegatt, einem Altrheinarm hinter der Schenkenschanz, ankerten. Die explosive Ladung sollte an Land gesichert wurde. Arbeiter brachten 7900 Kisten auf Schubkarren über einen 2,6 Kilometer langen Bohlenweg bis zu einem improvisierten Lagerplatz am Schürpoll.

Erst einen Monat später galt der Rhein als eisfrei. Die Dynamitfirma schickte acht Hafenarbeiter aus Porz, die mit lokalen Helfern die sechs Schiffe erneut beladen sollten. Bei drei Schiffen verlief das problemlos, doch als die „Elisabeth“ fast beladen war, explodierte sie.

„Die Ursache konnte nie zweifelsfrei geklärt werden“, sagte Geschichtsforscher Helmut Heckmann vor einigen Jahren bei einem Vortrag für den Reeser Geschichtsverein RESSA.

„Entweder kippte ein Arbeiter die Kisten einfach von der Schubkarre oder andere Arbeiter hantierten verbotenerweise mit Feuer“, spekulierte Heckmann. Die Explosion des Schiffes ließ auch die Dynamitkisten auf zwei Schubkarren am Ufer detonieren.

Binnen einer Sekunde flogen 948 Kisten mit 18.960 Kilogramm Sprengstoff in die Luft. Eine ungeheure Wucht. Die benachbarte „De Hoop 1“ brannte aus und sank. Am folgenden Tag berichteten das „Emmericher Bürgerblatt“, der „Kölner Stadtanzeiger“ und sogar der britische „Herald“ über das Unglück am Niederrhein.

Fünf Witwen und neun Kinder der Opfer erhielten Geldleistungen von den Vereinigten Dynamitfabriken. Helfer wie der Schiffer Theodor Leenders bekamen für ihren heldenhaften Einsatz am Unglücksort einen Orden von Kaiser Wilhelm II. verliehen.

Der Orden ist heute übrigens im Emmericher Rheinmuseum zu sehen. Wie auch einige schaurige Reste: Dort sind nämlich auch Wrackteile der „De Hoop 1“ ausgestellt.

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