Godehard Schnütgen "Das Vorgehen ist kriminell"

Kleve · Das Ehepaar Marie-Thres Nissing und Godehard Schnütgen bewirtschaftet am Rande der Düffel den Biolandhof "Richtersgut". Aus ihrer Sicht ist auch die Massentierhaltung ein Auslöser für den Skandal um die mit dem Insektizid Fipronil belasteten Eier.

 Ein Kommen und Gehen im Hühnerstall von Godehard Schnütgen und Marie-Thres Nissing in Kranenburg. Die Tiere merken, dass es drinnen etwas zu fressen gibt und entscheiden sich für das Futter.

Ein Kommen und Gehen im Hühnerstall von Godehard Schnütgen und Marie-Thres Nissing in Kranenburg. Die Tiere merken, dass es drinnen etwas zu fressen gibt und entscheiden sich für das Futter.

Foto: Gottfried Evers

Kranenburg Der Landwirt Godehard Schnütgen führt seit 20 Jahren mit seiner Frau Marie-Thres Nissing einen Biohof am Rande Kranenburgs. Der 63-Jährige ist Mitbegründer der Ökoschule auf Haus Riswick, dem Versuch- und Bildungszentrum Landwirtschaft. Schnütgen arbeitet hier noch heute als Lehrer. Für ihn können Höfe, die streng nach den Vorgaben der Bio-Landwirtschaft arbeiten, von dem Eierskandal nicht betroffen sein. Wie das Insektizid Fipronil in das Nahrungsmittel gekommen ist und welche Schlüsse man daraus für die Landwirtschaft ziehen muss, erläutert er im Interview.

Freut sich ein Bio-Bauer über jeden Nahrungsmittelskandal?

Godehard Schnütgen Freuen sicherlich nicht. Aber dadurch wird immer deutlicher, dass die konventionelle Landwirtschaft nicht der richtige Weg ist. Auf den Bio-Verbandsbetrieben in Deutschland wird so ein Fall kaum vorkommen.

Warum nicht?

Schnütgen Weil wir diese Mittel nicht einsetzen. In diesem Fall verhält es sich so: Hühner werden von Läusen, Flöhen oder Milben befallen. Besonders Milben sind gefährlich. Sie saugen den Tieren so viel Blut ab, dass es zu einer Blutarmut kommt. Die Hühner leiden extrem, können krank werden und legen weniger Eier. Bislang wurden diese Parasiten mit dem Reinigungsmittel Dega-16 behandelt, eine Lösung aus ätherischen Ölen.

Hört sich nicht gefährlich an.

Schnütgen Bei Bio-Bauern ist selbst dieses Dega-16 verboten. Zudem hält sich die Wirkung des Antimilbenmittels in Grenzen. Kriminell wurde es dann, als dem Dega-16 Fipronil beigemischt wurde. Dadurch wurde es bei der Bekämpfung wesentlich effektiver. Schnell wurde bekannt, wie gut Dega-16 doch wirkt, und es wurde in zahlreichen Betrieben eingesetzt.

Haben Sie in Ihrem Stall keine Milben? Und wenn, wie gehen Sie dagegen vor?

SchnütgeN Natürlich haben wir die Schädlinge auch, gerade in der wärmeren Jahreszeit. Behandelt werden die Milben bei uns mit Silikatstaub. Dieser wird, wenn die Hühner nicht im Stall sind, verblasen. Die Spinnentiere ersticken dadurch.

Wie viele Hühner haben Sie?

Schnütgen Aus 1200 Legehennen besteht unsere Herde. Die Zahl der Tiere richtet sich auch nach der Größe der Auslauffläche und darf eine bestimmte Zahl pro Hektar nicht überschreiten. Aktuell sind es ausschließlich junge Hühner, da wir einmal im Jahr die Herde tauschen.

Was sind die grundlegenden Unterschiede zwischen ökologischer und konventioneller Erzeugung?

Schnütgen Die Bio-Tierhaltung sieht grundsätzlich für alle Tierarten eine artgemäße Haltung vor - inklusive Auslauf oder Weidegang. Mindestens 50 Prozent es Futters muss - auch nach ökologischem Standard - auf dem eigenen Hof erzeugt werden. Tiere dürfen nicht mit Zusätzen wie Antibiotika und Leistungsförderern gefüttert werden.

Wie groß sind durch die strengen Auflagen die Preisunterschiede bei den Eiern?

Schnütgen Zehn Eier kosten beim Discounter 1,99 Euro. Wir verkaufen unsere Eier für 35 Cent pro Stück. Trotz des sicher nicht kleinen Preisunterschieds haben wir keinerlei Absatzprobleme. Besonders im Moment nicht. Wir könnten die doppelte Zahl verkaufen, so groß ist die Nachfrage.

Wie viele Eier legen ihre Hühner durchschnittlich?

Schnütgen Man rechnet die Legeleistung in Prozent. Bei 100 Prozent legt jedes Tier ein Ei pro Tag. Unsere Hühner erreichen 80 Prozent. Das ist eine sehr gute Legeleistung, so dass wir in einer Woche knapp 1000 Eier anbieten können.

Kann man an dem Stempel auf dem Ei genau erkennen, woher es kommt?

Schnütgen Ja. Die erste Ziffer auf dem Ei gibt an, aus welcher Haltung es stammt. Eine 0 bedeutet Bio, 1 konventionelle Haltung mit Freilauf, 2 konventionelle Bodenhaltung, aber ausschließlich im Stall, 3 ist die Käfighaltung. Die Eier stammen in Deutschland überwiegend aus den Kategorien 0 und 2. Die anschließenden Buchstaben weisen auf das Land hin, DE für Deutschland und das Bundesland. 05 steht für NRW. Der Rest bezieht sich auf den Hof.

In regelmäßigen Abständen werden Lebensmittelskandale aufgedeckt. Ob Pferdefleisch in Fertiggerichten, Antibiotika im Fleisch, Glykol im Wein, Würmer im Fisch oder dioxinverseuchtes Futtermittel. Wie sehen Sie die Zukunft der Landwirtschaft?

Schnütgen Aus meiner Sicht ist die konventionelle Landwirtschaft keine nachhaltige. Hier wird viermal so viel Energie wie in Öl, Futter oder etwa auch Maschinen steckt, verbraucht, wie nachher in dem erzeugten Produkt enthalten ist. Um den Fleischkonsum in Europa zu befriedigen, bräuchte man dieselbe Fläche, die derzeit für die Fleischproduktion genutzt wird noch einmal. Was fehlt, wird angeliefert.

Ist zu spüren, dass die Käufer sensibler werden und sich bewusster für oder gegen ein Nahrungsmittel entscheiden?

Schnütgen Immer dann, wenn belastete oder vergiftete Nahrungsmittel entdeckt werden, entscheiden sich mehr Menschen für Bio-Produkte. Doch muss hier noch eine deutlichere Abgrenzung unter den Erzeugnissen stattfinden, um dem Verbraucher besser aufzuklären. Wichtig ist, dass die Standards nicht nur klar festgelegt, sondern auch überwacht werden. Denn auch bei Bio-Produkten gibt es enorme Unterschiede. Was etwa in den Niederlanden als Bio-Ei angeboten wird, würde hierzulande keinesfalls die Anforderungen erfüllen. Die Niederlande haben hier die laschesten Vorgaben.

DIE FRAGEN STELLTE PETER JANSSEN

(RP)
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