Kleve Das Kloster im Leben

Kleve · Der 1972 in Kranenburg geborene Thomas Quartier ist ein Grenzgänger: zwischen Deutschland und den Niederlanden, Universität und Kloster und zwischen christlicher Tradition und moderner Gesellschaft.

 Thomas Quartier in der Abtei St. Willibrord Doetinchem.

Thomas Quartier in der Abtei St. Willibrord Doetinchem.

Foto: Claudia Venhorst

In Ihrem Buch wird die benediktinische Spiritualität als "Provokation" bezeichnet. Was ist mit dieser Aussage gemeint?

Thomas Quartier Der Grundgedanke kam mir, als ich gebeten wurde, für eine Gruppe junger Studenten einen Kurs zur Regel Benedikts zu geben. Die meisten waren nicht mit Kirche und Kloster vertraut. Ich wollte weder eine simple Einführung halten, noch eine Art spirituelles Wohlfühlprogramm anbieten. Daher habe ich versucht, die "verstörenden" Elemente aus meinem benediktinischen Leben quasi als Spiegel zu verwenden. Was bedeutet es, wenn man sich den gesellschaftlichen Erwartungen entzieht? Klöster sind, so merkte ich, für junge Menschen durchaus außergewöhnlich, im positiven Sinne. Sie rütteln wach. Das bedeutet eine heilsame Provokation. So wie meine Studenten über ihr eigenes Leben zum Nachdenken angeregt wurden, hoffe ich, dass es vielen Lesern ergeht.

Sie betonen immer wieder, dass monastische Spiritualität gerade in der säkularen Gesellschaft einen wichtigen Stellenwert hat. Bedeutet das, sich einer religionslosen Kultur anzupassen?

Quartier Sicher nicht! In den Niederlanden ist die Entkirchlichung noch viel weiter fortgeschritten als im deutschen Sprachraum. Gerade dort stelle ich aber immer wieder fest, dass die "Suche nach Gott", die das wichtigste für einen Mönch ist, viele Menschen anspricht. Das bedeutet nicht, dass alle Leser und Besucher meiner Vorträge religiös wären. Aber sie sind auf der Suche, wonach wissen sie oft nicht so genau. Die klösterliche Lebensform reicht ihnen eine Form an, die unerwartete Horizonte öffnet. Mir bieten sich als Mönch Möglichkeiten, mit Leuten über ihren suchenden, tastenden Glauben zu reden, die ich vor meinem Klostereintritt nicht hatte.

Sie arbeiten als Theologieprofessor und gehören zugleich zu einer Abtei. Können Sie etwas über die Kombination sagen?

Quartier Ich war schon lange an der Uni tätig, bevor ich ins Kloster eingetreten bin. Das bot uns als Abtei die Möglichkeit, von den heutigen Entwicklungen in der Theologie aus erster Hand zu profitieren und zugleich dazu beizutragen. Ich war früher ein Wissenschaftler, der sich im Kloster inspirieren ließ. Irgendwann merkte ich: es ist inzwischen genau umgekehrt. Ich möchte in erster Linie Mönch sein. Dass ich mich dann wissenschaftlich betätigen darf, dass das quasi mein Handwerk ist, ist keineswegs selbstverständlich. Es gibt mir aber die Möglichkeit, auch dem Orden ein wenig zurückzugeben, z.B. durch mein Engagement als Gastprofessor an unserer Benediktinischen Universität Sant Anselmo in Rom.

Was hat sich in Ihrem Leben geändert, seit Sie der Mönchsgemeinschaft der Abtei St. Willibrord angehören?

Quartier So ungefähr alles. Ich lebte als Oblate schon jahrelang im Geiste der Benediktsregel, und das war sehr fruchtbar und bereichernd. Ich schreibe mein Buch auch bewusst nicht nur für Mönche und Nonnen, sondern auch für Oblaten und alle Interessierten. Als ich dann schließlich eintrat, dachte ich: 'Du weißt ungefähr, wovon Du redest'. Einerseits stimmte das auch, aber andererseits war und ist alles auch ganz anders. Der Moment der Einkleidung [Empfang des Mönchsgewands] hat mich z.B. sehr bewegt. Heute treten Leute oft später ins Kloster ein. Ich selber war schon über vierzig. Das macht es natürlich nicht einfacher, sich in eine Gemeinschaft einzufügen. Es ist aber auch ein Gewinn.

(RP)
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