Besuch in den Niederlanden Inzidenz von 745 – und kaum jemand trägt Masken

Nimwegen · Die Sieben-Tage-Inzidenz in Nimwegen liegt bei 745 Infektionen pro 100.000 Einwohner – ein neuer Rekord. Die junge Partyszene sorgte für den Rückschlag. Doch wie ist die Stimmung in Nimwegen? Wir waren vor Ort.

 Nimwegen ist für gewöhnlich auch zum Einkaufen beliebt. Ein Blick in die Marikenstraat.

Nimwegen ist für gewöhnlich auch zum Einkaufen beliebt. Ein Blick in die Marikenstraat.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Im Kampf gegen Corona wurde Nimwegen um Monate zurückgeworfen. Seit Freitag führt der niederländische Staat die 170.000-Einwohner-Stadt in der Signalfarbe dunkelrot. Die Botschaft ist klar: Nimwegen ist wieder Risikogebiet. Mit Blick auf die aktuellen Corona-Zahlen dürfte das kaum verwundern. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt, nur wenige Kilometer jenseits der Grenze, bei 745 Infektionen pro 100.000 Einwohner (Stand: 18. Juli). Ursprünglich verzeichnete die Stadt an der Waal im Dezember vergangenen Jahres den Negativrekord, damals lag die Inzidenz bei 420 Infektionen. Mittlerweile rät auch das Auswärtige Amt von touristischen Reisen in das Risikogebiet Niederlande ab. Bei der Rückreise gen Deutschland besteht zudem wieder eine Testpflicht.

Doch was macht die vierte Corona-Welle mit der Stadt Nimwegen? Auf den ersten Blick recht wenig. Die Krankenhäuser registrieren noch keine erhöhte Anzahl von Corona-Patienten. So geht das öffentliche Leben weiter. Der Wochenmarkt war am Samstag gut besucht. Bereits am Vormittag füllte sich die Innenstadt, gegen 12 Uhr war die Fußgängerzone bunt belebt. Auffällig ist die Abwesenheit von Masken. Kaum einer trägt im Königreich noch „Mondkapjes“. Die Niederländer hatten mit dieser Maßnahme ohnehin seit jeher ein wenig gefremdelt, die Pflicht erst deutlich später eingeführt als Deutschland. Mittlerweile sieht man Masken nur noch in Bus und Bahn. In der Schlange im Supermarkt, beim Durcheinander auf dem Markt oder während des Sonnetankens auf der Caféterrasse – die neue Corona-Welle scheint nur wenig Eindruck zu machen.

„Es ist etwas aus dem Ruder gelaufen. Das Kabinett hat den Menschen vor Wochen erzählt: Es ist alles wieder gut, ihr dürft raus, um zu feiern. Junge Menschen, die sich anderthalb Jahre lang treu an die Corona-Maßnahmen gehalten haben, sind dann endlich wieder in die Clubs und Diskotheken gegangen. Sie haben eigentlich von der Regierung einen Blankoscheck bekommen. Die Folgen sehen wir jetzt“, sagt Dennis Dekkers, der sein kleines Café ’t Sfeerhuys im Zentrum von Nimwegen führt.

Nimwegen ist eine junge Stadt, an der Waal leben allein 20.000 Studenten. Zahlen des RIVM, vergleichbar mit dem Robert-Koch-Institut in Deutschland, zeigen, dass knapp drei Viertel aller Neuinfektionen aktuell aus Haushalten von 18- bis 24-Jährigen stammen. „Die Stimmung in der Stadt war ausgelassen, fast euphorisch nach anderthalb Jahren Lockdown. Die Leute haben getanzt, gerne auch aus dem Glas des Nebenmanns getrunken“, sagt Dekkers. Die Folge: Einige Feiern wurden regelrecht zu Spreader-Veranstaltungen. Mittlerweile mussten manche Gastronomien den Betrieb einstellen, da sich auch das Personal infiziert hat. Die Diskotheken müssen um 24 Uhr schließen, zudem verlangen viele wieder einen Testnachweis. „Bis Ende August wird es eine schwere Zeit für Gastronomen. Und dann müssen wir mit sichereren Umständen wieder durchstarten. Wir müssen dahin kommen, dass keiner mehr feiern gehen darf, der nicht kurz zuvor einen Test gemacht hat“, sagt Dennis Dekkers.

Einer seiner Berufskollegen, der sein Café am Großen Markt in Nimwegen führt, namentlich aber nicht genannt werden will, gibt sich erzürnt über die Corona-Politik. „Es ist ein ewiges Hin und Her. Wir waren vor Wochen so froh, dass die Leute auch abends wieder ausgehen durften. Jetzt müssen wir uns Sorgen machen. Dabei hat sich bei mir niemand angesteckt, ich habe Wert auf die Abstandsregeln gelegt“, sagt der 47-Jährige.

Auffällig wenig Deutsche trauten sich am Wochenende über die Grenze. Die Busse der Schnellverbindung 58, die von Emmerich über Kleve und Kranenburg nach Nimwegen führt, waren weniger stark frequentiert als sonst üblich. Doreen Scheider aus Bedburg-Hau profitierte davon. Die 27-Jährige fuhr für einen Shopping-Ausflug mit ihrem Freund in die Stadt an der Waal. „Ich glaube nicht, dass das Risiko, sich zu infizieren, deutlich höher ist als bei uns. Wir sind bei uns ja noch Masken gewöhnt. Die werden wir auch in den Geschäften anziehen. Dann kann eigentlich nicht viel passieren“, sagt sie. Nur muss das Paar dann eben damit rechnen, mit FFP2-Masken aufzufallen.

Antonette Valk zog es am Samstag als Hochwassertouristin an die Waal. Der mächtige Fluss hatte Teile der Kade überflutet, ernsthafte Sorgen aber bereiten die Pegelstände nicht. „Ich glaube, dass wir Niederländer einfach ein wenig leichtsinnig waren. Wir haben ganz viel geöffnet, nach dem Motto: Augen zu und durch. Das rächt sich nun. Aber wir können nicht zurück in einen Lockdown“, sagt die Seniorin, die bereits zwei Mal geimpft ist. Das Unverständnis der Bevölkerung wäre dann zu groß, der Protest zu laut, so Antonette Valk. „Wir sollten den weiteren Verlauf abwarten. Die jungen Leute müssten überzeugt werden, sich impfen zu lassen. So kriegen wir wieder die Kurve“, sagt sie.

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