Interview Hans Teunissen „Wir haben den Test bestanden“

Interview | Gennep · Der Bürgermeister der niederländischen Grenzgemeinde Gennep im Gespräch über das Hochwasser und seine Folgen sowie die erneute Ausbreitung der Corona-Pandemie.

 Der Bürgermeister von Gennep, Hans Teunissen.

Der Bürgermeister von Gennep, Hans Teunissen.

Die Wassermassen sorgten auch in den Niederlanden zuletzt für mächtig Aufruhr. In Venlo musste das Krankenhaus geräumt werden, die Millingerwaard wurde gesperrt, die Deiche an der Maas mussten mit Sandsäcken verstärkt werden. Mittlerweile sind die Pegelstände jedoch auch im Nachbarland rückläufig. Genneps Bürgermeister Hans Teunissen blickt auf anstrengende Tage zurück.

Herr Teunissen, wie hat Gennep das Hochwasser überstanden?

Hans Teunissen Glücklicherweise sinken die Pegelstände von Maas und Niers nun langsam wieder. Gewissermaßen haben wir noch Glück gehabt, weil unsere Deiche gut gehalten haben. Wir haben keine Häuser evakuieren müssen, die hinter dem Deich liegen. Bauernhöfe, die sich vor dem Deich befinden, mussten allerdings geräumt werden. Aber das passiert häufiger, das kennen die Menschen.

Hat es sich um ein historisches Hochwasser gehandelt?

Teunissen Nein. Wir haben die Pegelstände von 1993 und 1995 klar verpasst. Damals waren es noch 60 Zentimeter mehr als jetzt. Wäre das Wasser so weit gestiegen, wären die Verhältnisse möglicherweise dramatisch und katastrophal gewesen. Im Vergleich zu den Neunzigerjahren gibt es heute allerdings auch deutlich mehr Vorkehrungen, um das Hochwasser in Schach zu halten. Insofern waren die Wassermassen nun auch ein guter Test für unsere Infrastruktur. Wir haben den Test bestanden.

Wie lange werden die Aufräumarbeiten dauern?

Teunissen Ganz sicher eine Weile. Wir müssen abwarten, wie groß die Hinterlassenschaften von Niers und Maas sind. Dafür müssen die Pegelstände aber noch weiter zurückgehen. Auf Landesebene wurde nun für die betroffenen Menschen ein Notfonds eingerichtet, um die Schäden zu reparieren. Außerdem gibt es tolle Initiativen von privater Seite, mit deren Hilfe mehrere Millionen Euro eingesammelt werden konnten. Und nicht zuletzt sind auch die Versicherungen in der Pflicht.

Sie haben an Hochwassertouristen appelliert, Zuhause zu bleiben. Dennoch kamen auch viele Deutsche nach Gennep, um sich das Geschehen anzuschauen. Wie enttäuscht sind Sie?

Teunissen Die Situation war nun insofern besonders, als dass das Hochwasser im Hochsommer stattfand. Dann ist es logisch, dass sich mehr Menschen auf den Weg machen – gerne auch mit dem Fahrrad. Dennoch darf das nicht passieren. Wir wussten nicht, wie schlimm das Hochwasser wirklich werden würde und wie wir als Gemeinde womöglich auf stetig weiter steigende Pegelstände reagieren müssten. Da waren wir besorgt, dass uns Schaulustige bei der Arbeit im Weg stehen könnten. Dieser Sorge habe ich Ausdruck verliehen. Zum Glück kam es zu solchen Szenarien nicht.

Ein Ratsmitglied Ihrer Gemeinde sorgte für Negativschlagzeilen, weil er während des Hochwassers eine verbotene Kanutour über die Niers machte. Wie verständlich ist die Kritik?

Teunissen Nun, ich habe denjenigen auf sein Verhalten angesprochen. Wir haben das geklärt. Meine Position ist klar: Ein Ratsmitglied sollte möglichst mit gutem Beispiel vorangehen. Das hat er in dieser Situation nicht getan. Daher entstand auch viel Aufregung in sozialen Medien.

Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt in Gennep aktuell (Stand: 19. Juli) bei 337 Infektionen pro 100.000 Einwohner. Wie besorgt sind Sie über den rapiden Anstieg der Corona-Zahlen?

Teunissen Natürlich bereitet mir die Entwicklung als Bürgermeister Sorgen. Aktuell sagen wir, dass Deutsche besser nicht kommen sollen, wenn sie nicht per se in Gennep sein müssen. Und wenn die Menschen schon kommen, sollen sie wenigstens Abstand halten. Ich hätte vor vier Wochen nicht damit gerechnet, dass die Probleme jetzt wieder so groß sein würden. Andererseits hätte uns klar sein müssen, dass die Corona-Varianten erneut für eine Welle sorgen können. Glücklicherweise ist der Druck auf die Krankenhäuser bislang noch gering. Aber auch das kann sich schnell drehen. Nun müssen wir alles daransetzen, so schnell wie möglich mehr junge Menschen zu impfen. Dazu müssen wir noch mehrere Millionen Menschen dringend aufrufen. Nur so können wir die Gefahr bannen.

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