Kleve Buchseiten aus dem Mittelalter im Kurhaus

Kleve · Mittelalterliche Miniaturen und Inkunabeln aus der Sammlung von Gustav und Rose Wörner in einer Kabinett-Ausstellung.

 Ein reich verziertes Blatt aus einem französischen Stundenbuch aus dem Jahr 1465 bis 1470 - zu sehen in Kleve.

Ein reich verziertes Blatt aus einem französischen Stundenbuch aus dem Jahr 1465 bis 1470 - zu sehen in Kleve.

Foto: Gottfried Evers

Die kleinen Buchseiten sind weit über 500 Jahre alt und doch strahlen ihre Farben wie am ersten Tag: Matt schimmert es golden zwischen dunkel rankenden Girlanden, rote, grüne und blaue Blumen und Früchte wuchern verschwenderisch über die Flächen der Seiten. Das tiefblaue Kleid Marias leuchtet kraftvoll aus einer kleinen Szene der Heimsuchung heraus: Die Muttergottes begrüßt ihre Cousine Elisabeth, die beiden schwangeren Frauen fassen sich an Händen und Armen zur liebevollen Begrüßung. Marias Gewand wird von einem kleinen Engel getragen. Im Hintergrund liegt grau eine vieltürmige Stadt von einer grünen Landschaft umgeben, eine Felsnadel steht rechts in der mit Bäumen bestandenen Niederung. Ein geschwungener Weg führt auf die Figurengruppe zu. Hinter Maria steht eine männliche Figur, entweder Joseph oder der Mann Elisabeths, Zacharias.

 Blick in die neue Kammer.

Blick in die neue Kammer.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Es ist ein Blatt aus einem französischen Stundenbuch, in Paris oder dem Loire-Tal entstanden um 1465 bis 1470 in der Nachfolge des Bedford-Meisters, wie Gerard Lemmens und Guido de Werd das Blatt im Katalog der kleinen Reihe einordnen.

Es ist fast 16 Jahre her, dass das Klever Museum, damals noch unter seinem Chef de Werd, diesen mittelalterlichen Schatz aus der Sammlung von Gustav und Rose Wörner präsentierte. Jetzt hat Kleves Museumsdirektor Prof. Harald Kunde ihn wieder gehoben. Zusammen mit Rose Wörner suchte er Blätter aus, von denen eine Auswahl jetzt in Vitrinen gesichert in der lichtgeschützten neuen Mittelalter-Kammer gezeigt wird.

Die Kammer wurde eigens für diese Blätter im Friedrich-Wilhelm-Bad eingerichtet. Es ist ein stiller Raum, in den man sich wie die Fürstinnen zurückziehen kann, wenn sie sich konzentriert den Blättern und ihren Geschichten widmeten. Man spürt regelrecht die Freude an den kostbaren Farben, mit denen die Miniaturenmaler die Handschriften oder kurze Zeit später die frühen Drucke ausschmückten. "Die aus Erzen und Mineralien gewonnenen Farben haben nichts an Leuchtkraft verloren, sie wirken frisch als wären sie neu", sagt Kunde.

Die Seiten stammen alle aus ehemaligen Stundenbüchern - reich verzierte sehr kostbare Gebets- und Andachtsbücher - oft für die Damen, die sich, wie Katharina von Kleve, ein solches Buch leisten konnten. Das heute berühmteste Stundenbuch gehörte dem Duc de Berry. Gemalt wurde es von den Brüdern Limburg aus Nimwegen.

"Im 19. Jahrhundert wurden die wertvollen Bücher zerteilt, wenn sie in den Handel kamen", erklärt Kunde. Man schnitt sie auseinander, weil mit einzelnen Blättern in der Summe viel größere Gewinne erzielt werden konnten. Später, im 20. Jahrhundert kamen diese Blätter dann wieder in den Handel. Die Blätter aus der Sammlung Wörner dokumentieren auch den Übergang zum Buchdruck, als die Buchstaben schon nicht mehr Handschrift waren, sie aber immer noch ausgemalt wurden. Auch das zeigt die kleine Kabinett-Ausstellung im Kurhaus.

(RP)
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