Mord bei Lidl in Kleve Bruder des Mordopfers: "Ehre verletzt"

Kleve · Am dritten Prozesstag um die Tötung eines 43-Jährigen bei Lidl haben die Verwandten des Opfers ihr Schweigen gebrochen. Aussagen des Angeklagten bei der Polizei: Der Getötete habe seiner Familie das Leben "zur Hölle gemacht".

Mann stirbt bei Messerstecherei in Kleve
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Foto: Stade, Klaus-Dieter

Zwei Prozesstage saß er als Nebenkläger schweigend an der Seite seiner Anwälte. Am Donnerstag dann brach der Bruder des 43-Jährigen, der im März im Lidl-Supermarkt an der Materborner Allee umgebracht wurde, im Zeugenstand sein Schweigen.

So emotional, dass der vorsitzende Richter Ulrich Knickrehm ihn mehrfach lautstark zur Ordnung rufen, mit der Hand auf den Richterpult schlagen musste. Als B. in einer Unterbrechung Farbfotos seines getöteten Bruders in den Raum zeigt, droht Knickrehm gar mit dem Abbruch der Anhörung. "Die Angeklagten haben unsere Ehre verletzt", schimpft B. "Ich bin fertig mit meinen Nerven."

Die beiden Männer hätten seinen Bruder ohne Grund getötet, behauptet B. "Mit 44 Stichen, so etwas machen nicht einmal Terrorristen." Auch die Ehefrau des Opfers beschrieb, ihr Mann habe sich vor der Familie, der die beiden Täter angehören, gefürchtet. "Er hatte fürchterliche Angst vor ihnen, ich habe ihn nicht oft allein gelassen. Die sind so viele", sagt sie. Konkrete Hinweise, dass Gewalt gegen ihn unmittelbar bevor stehe, habe es aber nicht gegeben, sagt sie.

Im Laufe des Prozesses wird immer deutlicher, dass ein ganzes Geflecht von Vorgeschichten die Beziehung der beiden Familien belastet. 1995 heiratete das Opfer eine Frau der Familie O. Erst nach der Hochzeit aber sei durchgesickert, dass er ein außereheliches Kind mit einer Nicht-Jesidin hat. Nach jesidischem Recht wäre er damit aus der Religionsgemeinschaft ausgeschlossen - und mit ihm auch seine jesidische Frau.

Plötzlich spielte auch Geld eine Rolle. So sollen Zahlungen, die womöglich als Brautgeld geflossen sind, zurückgefordert worden sein. 2004 kam es dann zur Scheidung und zu Übergriffen des 43-Jährigen auf seine Frau, ehe er im Jahr 2008 einen Bruder der Angeklagten schwer verletzte und zu vier Jahren Haft verurteilt wurde.

Im April - mehr als ein Jahr, nachdem er aus der Haft entlassen wurde - ist er bei Lidl getötet worden. Ein Polizist berichtete von den Aussagen, die der ältere der beiden Angeklagten im Polizeipräsidium gemacht hat. So habe er sich zunächst erkundigt, ob das Opfer wirklich gestorben sei und dann ausgesagt, er selbst habe zugestochen. Auf ein mögliches Motiv angesprochen, soll der Angeklagte gesagt haben: "Das ist alles nicht so einfach."

Das Opfer habe keine Ruhe gegeben, das Leben der Familie O. "zur Hölle gemacht." Das Treffen bei Lidl sei dann ein zufälliges gewesen, er könne sich aber nicht erklären, warum es derart eskalierte. Zuvor war der Verteidiger des Angeklagten damit gescheitert, die Aussagen für ungültig erklären zu lassen. Sein Mandant habe damals unter Schmerzmitteln gestanden, argumentierte der Anwalt.

(lukra)
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