Beuys-Ausstellung in Moyland Wie Beuys den Hasen ins Grab legt

Bedburg-Hau-Moyland · Die Werkgruppe der Hasengräber von Joseph Beuys steht im Mittelpunkt der Beuys-Ausstellung 2019 in Moyland und der Führungen zu Ostern.

 Hasengrab IV aus der Moyländer Sammlung von 1964

Hasengrab IV aus der Moyländer Sammlung von 1964

Foto: Markus van Offern (mvo)

Auf den ersten Blick sieht das Ganze aus wie ein Haufen Schutt, wie Abfall, der sich unter einer akurat geschnittenen Glashaube präsentiert. Abgeknibbelte Stückchen der Schalen von Ostereiern bedecken bunt die eine Seite des Haufens, auf der anderen liegt ein Hase – gebettet auf einem weiteren Sammelsurium aus Hölzchen, Batterien, einem dicken gusseisernen Schwengel und Zigarettenkippen. Uhu-Tuben leuchten gelb aus dem Haufen heraus, der Propeller eines Kinderspielzeugs liegt wie hingefallen darüber. Pappecken von Kartons sind auf dem Hügel verstreut. Ein runder Blechdeckel steckt senkrecht in dem Sammelsurium – und gibt dem Ganzen auf einmal Struktur: Denn der Deckel sitzt unmittelbar über dem Kopf des dort gebetteten Hasen. Wie ein Heiligenschein. Als Grabbeigaben hat der (Oster)-Hase mit Heiligenschein auch acht Zündkerzen.

„Hasengrab IV“ heißt das Ganze und wurde von Joseph Beuys um 1964 geschaffen. Es gibt sieben Hasengräber, vier davon besitzt Museum Schloss Moyland. Alle vier sind im Erdgeschoss (das ist das Untergeschoss, über die Treppe im linken Flügel des Schlosses zu erreichen). Ende des Jahres wird Moyland-Kurator Alexander Grönert die vier Gräber in einer großen Ausstellung präsentieren. Jetzt stehen sie im Mittelpunkt der Führungen zu den Ostertagen (siehe Info). Die drei anderen Hasengräber sind im Hamburger Bahnhof in Berlin, im Lenbachhaus in München und im Moderna Museet in Stockholm.

Tatsächlich ist das Hasengrab IV wie alle anderen Hasengräber nicht nur geschüttet oder aufgehäuft, sondern bildhauerisch gebaut. Alle Teile, auch die bunten Schnipsel der Eierschalen, sind fixiert, Beuys war bei der schichtweisen Verklebung sehr konzentriert und über Stunden hin beschäftigt. „Es sind alles nur Dinge aus meiner Arbeit und nur Dinge, die ich in meiner unmittelbaren Umgebung zur Verfügung habe“, sagte Beuys in einem Interview 1979. Und dass er die Sachen nicht gesucht habe, betont Beuys: „lch gehe nicht und suche, nein. Nein, niemals, tue ich nicht, nein, nein. lch nehme grundsätzlich immer nur Dinge, die ich selbst bearbeitet habe“. Und diese habe Beuys nicht einfach aus Abfall zusammengeklaubt, sondern gezielt und bewusst ausgesucht, wird seine Frau Eva in der Diplomarbeit zur Sanierung des „Hasengrabes IV“ 2002 von Jan Braun zitiert. Es seien Gegenstände in denen der Künstler eine bestimmte Qualität erkannte und die mit seiner Person verbunden waren, so Eva Beuys.

Joseph Beuys listet am Beispiel des Hasengrabes aus Stockholm einen ganzen Satz von Materialien, die er für dessen Bau brauchte: Es seien Zweige, eine Mullbinde, Kartonteile, Moos, verschiedene Baumnadeln, eine Plastikdose mit grünen Pillen, Blut, Leim, Fett, Watte, ein weißer Stift, eine Medizinflasche und eine Tube, die er in diesem Grab eingebaut habe. Was tatsächlich in den Hasengräbern alles „verbaut“ ist, lässt sich im Nachhinein aber nicht mehr wirklich festmachen. Das mache aber nichts, sagte Beuys: „Das Material hat keine spezielle Bedeutung, es ist eher das chaotische Ergebnis von dem, was gerade zur Verfügung stand. Das wichtigste war, dass ein Kontrast entstand zwischen den verschiedenen Materialien und dass der Hase mit ihnen bedeckt wurde.“ Dass der Hase also begraben ist.

Das Chaos sei für Beuys ja auch Energie, sagt Alexander Grönert mit Blick auf das Moyländer Hasengrab IV. Es seien sehr wahrscheinlich in diesen Gräbern die Hasen aus Aktionen von Beuys verarbeitet, so der Kunsthistoriker. Für ihn stehen die Hasengräber auch für einen Umbruch im Werk des Künstlers. „Er war gerade Professor geworden, hatte geheiratet, Kinder bekommen“, sagt Grönert. Außerdem habe sich Beuys in dieser Zeit auch mit anderen Künstlern auseinandergesetzt, sagt er und weist auf „Hasengrab II“. Das ist geradezu kubistisch, bildet aus gequetschten Farbtuben eine Art Würfel. Den Hasen darin kann man nicht ausmachen. Während Hasengrab IV geradezu poppig bunt ist, ist das Hasengrab I mit weißer Farbe abgetönt. Hasengrab III wiederum wirke wie ein etruskischer Grabhügel, sagt Grönert und kommt auf das Thema Energie im Chaos der Gräber zurück: Der Tod sei für Beuys nicht Ende, sondern Anfang. So wirken die „Hasengräber“ geradezu österlich.

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