Soziales Beherzt für Bedürftige

Kleve · Bärbel Vick leitet seit vier Monaten die Klever Klosterpforte. Der Weg dorthin war alles, nur nicht gradlinig. Sie startete ihr Berufsleben mit einer Ausbildung zur Fleischerei-Fachverkäuferin und ist heute Diplom-Sozialpädagogin.

  RP-FOTO: Markus van Offern

RP-FOTO: Markus van Offern

Foto: Markus van Offern (mvo)

Wer die Arbeit in der Klever Klosterpforte als reine Erwerbstätigkeit betrachtet, der wird scheitern. Denn die Einrichtung, die von Pfarrer Fritz Leinung ins Leben gerufen wurde, kümmert sich seit 1982 um Menschen, die am Rand der Gesellschaft angekommen sind. Sie erfüllt allein einen Zweck: Hilfe für den Nächsten. Wer hier arbeitet, muss besondere Eigenschaften haben. Ruhig bleiben, natürlich hilfsbereit sein – aber auch mit der Fähigkeit ausgestattet, nicht alle Erlebnisse mit nach Hause zu nehmen. Bärbel Vick (52) leitet jetzt seit vier Monaten die Pforte und ist die einzige hauptamtliche Mitarbeiterin. Sie sagt dazu: „Am Anfang habe ich Nächte zu Hause im Bett gelegen und über die Schicksale der Menschen nachgedacht.“ Doch gelingt es ihr stets besser, die Ereignisse des Tages an der Pforte zu lassen. Auch die Fähigkeit des Selbstschutzes muss man lernen.

Bevor die 52-jährige Kleverin die Leitung übernahm, arbeitete sie als Sozialpädagogin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Sie sorgte dafür, dass sich Selbsthilfegruppen fanden. Organisierte Treffen für Alkoholabhängige, für Menschen, die an Parkinson erkrankt waren oder an einer Depression litten. „Ich war Ansprechpartnerin und habe Menschen mit denselben Problemen zusammengeführt, damit sie sich austauschen können. Dabei hing ich oft etliche Stunden am Telefon“, beschreibt sie einen Teil ihres vergangenen Berufslebens. Zumindest geht der Weg vom Wohlfahrtsverband in die Klosterpforte in die gleiche Richtung.  Ungewöhnlich ist, wie sie dorthin kam. Denn ihre Lehre schloss Bärbel Vick als Metzgerei-Fachverkäuferin ab. Angestellt war sie bei der Metzgerei Gebing in der Klever Innenstadt. Mit 21 Jahren wurde sie Mutter. Bis Mitte 30 stand sie in der Metzgerei hinter der Theke.

Nicht selten ein Alter, in dem man seine berufliche Entwicklung abgeschlossen hat. Bärbel Vick hatte andere Pläne. Sie holte ihr Fachabitur nach und begann 2002 ein Studium an der Fachhochschule in Mönchengladbach. „Ich wurde damals als Rabenmutter angesehen. Junge Kinder im Haus und dann so spät studieren, dafür reichte die Toleranz bei einem Großteil der Gesellschaft noch nicht.“ Mit knapp 39 Jahren hatte sie ihr Diplom und arbeitete zunächst zehn Jahre in einer Einrichtung für ambulant betreutes Wohnen.

Während Bärbel Vick in der Klosterpforte sitzt und einen Teil ihres Lebens schildert, klopft es an die geschlossenen Holzfenster. Dabei gibt es feste Zeiten, in denen das Essen ausgegeben wird. Die meisten Bedürftigen, in der Einrichtung werden sie Besucher genannt, halten sich daran. Jetzt ist es Patrick, der außerhalb der Öffnungszeit zu Besuch kommt. Er braucht eine Zigarette. Vor ein paar Minuten auch schon. Er ist einer, dem man noch helfen kann. „Schwer ist es, wenn Menschen, die jeden Tag hier sind, plötzlich nicht mehr kommen“, sagt Bärbel Vick. Auch sie hat in der kurzen Zeit diese Erfahrungen machen müssen.

Was ihr hilft, über das täglich Erlebte hinweg zu kommen, ist die Familie, aber auch ihr Glaube. Vick ist Mitglied der Klever Stadtmission, eine freie evangelische Kirche. Es war nie eine Voraussetzung, katholischen Glaubens zu sein, um hier zu arbeiten. Pastor Leinung hatte Wert darauf gelegt, dass die Klosterpforte ein Verein ist, in dem Offenheit und Toleranz gegenüber anders Denkenden zu der Geisteshaltung gehören.  Die 52-Jährige war lange Mitglied der evangelischen Landeskirche, engagierte sich dort enorm. Nachdem sie ein familiäres Schicksal hinnehmen musste, war die Hilfe aus der Gemeinde jedoch kaum spürbar, sagt sie. Der Badminton-Klub habe sich damals mehr um sie gekümmert, so Vick. Womit sie sich in ihrem neuen Glauben intensiver beschäftigt, ist die Bibel.

Bärbel Vick sieht sich selbst nicht als schillernde Persönlichkeit. Sie wirkt bescheiden und zurückhaltend. Prädestiniert für die Aufgaben in der Klosterpforte, die anspruchsvoll ist und in der aktuellen Lage noch schwieriger. Aufgrund der Corona-Pandemie hat sich auch die Situation in der Pforte geändert. Die Essensausgabe erfolgt jetzt am Fenster. Die Schlange der Menschen mit dem Verlangen nach einer warmen Mahlzeit wird länger. „Es kommen mehr Osteuropäer“, sagt Vick über ihre Erfahrungen in den ersten Monaten. Aber auch die Zahl der Rentner steigt, die sich so eine Mahlzeit am Tag sparen können.

Der Belastung steigt. Bezahlt wird sie für 30 Stunden, doch arbeitet sie stets länger. Dass sich am Gehalt in nächster Zeit großartig etwas ändern wird, ist nicht abzusehen. Was an Spenden reinkommt, wird eins zu eins für die Besucher eingesetzt. Obwohl die Einrichtung mittlerweile Aufgaben für die Stadt übernimmt, ist der Zuschuss seitens der Kommune seit Jahren nicht mehr angehoben worden. So bleibt es dabei: Wem es allein ums Geld verdienen geht, der wird scheitern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort