Bedburg-Hau Azubis zeigen Zivilcourage

Bedburg-Hau · Sieben Auszubildende des Theodor-Brauer-Hauses beschäftigten sich mit den Euthanasie-Morden der NS-Zeit und erarbeiteten in vier Tagen ein Theaterstück. Gestern führten sie es auf und bekamen viel Lob für ihren Mut.

 Die sieben Teilnehmer des Theaterprojekts und ihre beiden Lehrer (3. und 4. v.l.) zeigten im Theater mini-art, was sie erarbeitet hatten.

Die sieben Teilnehmer des Theaterprojekts und ihre beiden Lehrer (3. und 4. v.l.) zeigten im Theater mini-art, was sie erarbeitet hatten.

Foto: Klaus-Dieter Stade

Der Scheinwerfer ist auf zwei junge Männer gerichtet, die sich gegenüberstehen und über den Schulunterricht sprechen. "Ich hab keinen Bock mehr auf das Gelaber!" sagt der eine, "Geschichte ist doch wichtig. Es geht über dich, über uns", versucht ihm der eine zu erklären. Doch der blockt ab: "Hab ich nix mit zu tun!" Was die beiden meinen, sind die Schrecken der NS-Zeit und was damals mit vielen passierte, nur weil sie zum sogenannten "minderwertigen Menschenmaterial" gehörten: durch Behinderung oder Verhaltensauffälligkeiten beispielsweise.

Die beiden Jungen im Scheinwerferlicht gehören zu einer siebenköpfigen Truppe, die gerade im Theater mini-art auf der Bühne steht. Eigentlich sind sie Auszubildende in der Holzwerkstatt des Theodor-Brauer-Hauses in Kleve und auf den einmaligen Auftritt haben sie sich vier Tage lang vorbereitet. "Die Schüler haben das Stück selbst erarbeitet und Texte geschrieben. Dass sie alles auswendig können, ist dabei nicht so wichtig", sagt Crischa Ohler, die das Theater auf dem Gelände der Rheinischen Kliniken zusammen mit Sjef van der Linden leitet.

Der sitzt während der halbstündigen Vorstellung, die den Titel "Echt krass! Sind wir anders?"trägt, in der ersten Reihe und hilft leise, wenn es Texthänger gibt. Neben kurzen Dialogen und kleinen Geschichten zeigen die Azubis kraftvolle Standbilder: Jemand wird verprügelt, während andere wegsehen. Dann wandeln sich die Bilder, bis einer der Beteiligten mutig einschreitet und die Übergriffe auf den Schwächeren verhindert. "Zivilcourage" ist das Schlagwort, dass die jungen Darsteller zusammen mit ihren beiden Lehrern an das Publikum weitergeben wollen, und genau mit diesem Wort endet das Stück auch. "Toll, dass ihr so mutig seid, und so viel von euch selbst eingebracht habt", heißt es nach einem langen Applaus aus dem Publikum. Die Beschäftigung mit den Euthanasie-Morden der NS-Zeit begann für die Azubis bereits im September 2011, als sie in ein Dorf nach Kreta reisten. Das hatte unter dem Regime der NS-Zeit schwer gelitten und diente als realer Schauplatz, um sich der Gräueltaten bewusst zu werden.

"Für manche war das Projekt eine große Herausforderung, aber keiner wollte den anderen hängen lassen und ist letztlich über sich hinausgewachsen", sagt Lehrer Peter Eckartz anerkennend. Dem beteiligten Azubi Andreas Kunz kam es nicht in den Sinn, aufzugeben. "Ich war nie gut im Text auswendig lernen, aber hier hat das gut geklappt. Aufgeregt war ich kaum, denn ich wusste, dass ich nicht alleine auf die Bühne gehe", sagt der 21-Jährige. Die Stärkung des Selbstbewusstseins ist ein Effekt, den Theaterleiterin Ohler kennt. "Mit den Projekten packen wir die Jugendlichen bei ihrem Ehrgeiz und am Ende merken sie: Ich kann was und das ist was wert", sagt sie.

(RP)
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