RP-Serie Holz zu Asche — ein Beruf geht in Rauch auf

Kleve · In der Reihe „Ausgestorbene Berufe“ geht es heute um den Köhler. Der Abbau von Steinkohle machten seinen Job überflüssig. Das Handwerk reicht bis in die Bronzezeit zurück.

 Wilhelm Papen (rechts) steht auf dem Meiler und dichtet ihn mit Erde ab.

Wilhelm Papen (rechts) steht auf dem Meiler und dichtet ihn mit Erde ab.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Wenn Wilhelm Papen (59) von seinem Traumjob erzählt, ist er nur schwer zu stoppen. Er hätte gern im Wald gelebt, in der Abgeschiedenheit und alles um sicher herum vergessen. Doch ist Papen nicht in der Natur zu Hause, sondern in einem Mehrfamilienhaus in Materborn. Außerdem ist er für seinen Traumberuf mindestens 100 Jahre zu spät geboren worden. Der Mann wäre gerne Köhler geworden. Jene Menschen, die einst mit schwarzem Gesicht und Händen gezeichnet aus Holz Holzkohle machten.

Im Wohnzimmer von Wilhelm Papen hängen etliche Bilder an der Wand, auf denen Meiler zu sehen sind, aus denen Rauch aufsteigt. „Die Köhlerei gab es am ganzen Niederrhein von Grafwegen bis nach Gladbach“, sagt der 59-Jährige. Doch sind die Zeiten lange vorbei, in denen der Köhler von seinem Handwerk leben konnte. Der Letzte im Kreis Kleve war in der Nähe von Geldern zu Hause.  Er gab ein paar Jahre nach dem 2.  Weltkrieg auf. Wie bei anderen Berufen kam plötzlich etwas Neues auf den Markt, was das Gewerbe überflüssig machte. In dem Fall war es die Förderung der Stein- und Braunkohle. Sie eroberten   als Energierohstoff den Platz Nummer eins. Heute wird Holzkohle industriell produziert.

Die Geschichte der Köhlerei sei lange und bedeutend, so Papen.  Über Jahrtausende hinweg wurde Holzkohle hergestellt, ohne die es weder eine Eisenzeit noch Bronzezeit gegeben hätte. Keine Schwerter, Münzen, Schmuck. Um an Metallerze zu gelangen, müsse sie jemand aus dem Stein herausschmelzen. Dafür seien hohe Temperaturen notwendig, einfache Holzfeuer könnten das nicht, erklärt er.

„Die Arbeit des Mannes im Wald war schwer. Er musste das Holz zusammentragen. Etwa zehn Tonnen waren für einen Meiler notwendig“, erklärt der Fachmann. Er stellt sich vor ein großformatiges Foto in seinem Wohnzimmer und erklärt: „Das Holz wird in ein Meter lange Stücke gespalten und aufgeschichtet. Mit Heu abgedeckt und schließlich mit Muttererde abgedichtet.“ Nachdem der kegelförmige Haufen von oben entfacht wurde, qualmt und dampft es aus den reingestochenen Erdlöchern heraus. Auf 400 bis 500 Grad steigt die Temperatur im Inneren. Immer wieder müsse man Löcher in den Hügel stechen und andere verschließen, um die Hitze zu regulieren, so van Papen. Nur ein Fehler, ein Luftzug etwa, könne die Arbeit mehrerer Tage zunichtemachen, An der Farbe des Rauches kann man erkennen, wann die Verkohlung des Holzes abgeschlossen ist.

Heute lebt der Köhler hauptsächlich in der Tourismusindustrie wieder auf. Bundesweit gibt es nur noch wenige Experten, die auf traditionelle Weise arbeiten. Der Materborner gehört dazu. Er hat vier Magazine über den ausgestorbenen Beruf geschrieben und gehört dem Vorstand des europäischen Köhlerverbandes an. Alle zwei Jahre organisiert er mit seinem Team das Köhlerfest in Reichswalde und stellt das historische Handwerk vor.  Bei dem dort entfachten Meiler entstehen etwa 1,6 Tonnen Holzkohle. Sie werden in fünf Kilo Säcke gefüllt, die zum Preis von neun Euro verkauft werden. Das Geld kommt immer einer anderen Jugendorganisation aus dem Klever Stadtgebiet zugute.

 Wilhelm Papen hält eine Figur des Heiligen Alexander Carbonarius in der Hand. Er ist der Schutzpatron der Köhler.

Wilhelm Papen hält eine Figur des Heiligen Alexander Carbonarius in der Hand. Er ist der Schutzpatron der Köhler.

Foto: Markus van Offern (mvo)

In Zeiten, in denen der Köhler noch dringend benötigt wurde, arbeitete dieser immer vom 1. Mai bis 10. November im Wald. Dann war das Holz trocken genug. Er kehrte während dieser Zeit - wenn überhaupt - nur gelegentlich in sein Dorf zurück. Ein Meiler musste rund um die Uhr bewacht werden. Eine Woche brauchte der Verschwelungsprozess. Harte Wochen, die mit Wald- und Wiesenromantik nichts zu tun hatten. Der Köhler galt stets als ein Mann mit einem überschaubaren, einfachen Leben, der alleine im Wald hauste. Einer, der in der gesellschaftlichen Ordnung ganz unten rangierte und als finsterer Geselle galt. Die Köhlerei war in ihrer Geschichte auch nie ein Lehrberuf. Leute, die allein im Forst lebten, und ein Feuer kontrollierten konnten, waren den Menschen suspekt. Wilhelm Papen hätte es trotzdem gern getan. Gelernt hat er Schreiner. Wenigstens etwas, das mit Holz zu tun hat.

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