Kleve Aus Kleve in die Schlagzeilen

Kleve · Zum 70-jährigen Bestehen des Magazins Spiegel trafen sich dessen Deutschlandchef Markus Verbeet und Umweltministerin Barbara Hendricks auf der Burg. Ein munterer Abend mit seltenen Einblicken.

 Barbara Hendricks, Markus Verbeet und Sigrun Hintzen, die den Abend organisiert hatte.

Barbara Hendricks, Markus Verbeet und Sigrun Hintzen, die den Abend organisiert hatte.

Foto: KDS

Für einen kurzen Moment zögert Barbara Hendricks. "Das tut man nicht", sagt sie. Es war damals in Lima, Weltklimakonferenz 2014. Hendricks hatte sich, wie sie vor 100 Gästen in der Klever Gerichtskantine erzählt, in Peru "Montezumas Rache" eingefangen. Ein Mitarbeiter von ihr habe zwei Wochen damit im Bett gelegen. Sie aber trat auf - und ihre Knie wurden weich. "Plötzlich wurde Barbara Hendricks schlecht, die Beine gaben nach, und schon lag die Ministerin inmitten der Weltklimakonferenz auf dem Rasen", schrieb damals das Magazin Spiegel. In einem Artikel, der unter anderem zu dem Schluss kam, die Ministerin aus Kleve sei von internationaler Bühnenreife weit entfernt. "Das tut man nicht", sagt sie. Aber: "Auf Dauer kann ich mich da nicht drüber aufregen." Hendricks grinst, das Publikum lacht. Weiter geht's.

Der Spiegel wird 70 Jahre alt und feiert das standesgemäß: Mit der ersten Reihe der Bundespolitik, mit einer großen Chronik und vor allem mit viel Selbstbewusstsein. Aber eben auch mit Abenden wie dem in der Schwanenburg. Redakteure des Magazins kehren zurück in ihre Heimat und kommen dort mit den Menschen ins Gespräch. Und weil nicht nur Bundesumweltministerin Barbara Hendricks Tochter der Stadt ist, sondern auch der Deutschlandchef des Spiegel, Markus Verbeet, aus Kleve kommt, hatten die Besucher der Gerichtskantine am Freitagabend die Möglichkeit, einen ganz besonderen Plausch zu erleben.

Verbeet wurde 1974 in Kleve geboren, besuchte das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium und sammelte erste journalistische Erfahrungen in Lokalredaktion der Rheinischen Post in Kleve. Er studierte Rechts- und Politikwissenschaften in Bonn, Leipzig, München und Paris, promovierte anschließend. Seit 2003 ist der 42-Jährige beim Spiegel. Erst berichtete er aus Brüssel, dann wurde er Bildungsredakteur. Seit Mai 2015 leitet er die Deutschlandredaktion. Für den Abend in Kleve hatte er sich ausdrücklich Hendricks gewünscht. Und bekommen. Denn obwohl beide auf die eine wie die andere Art Schlagzeilen machen, war diese Begegnung vor Publikum ihre erste überhaupt.

Das Interesse daran war groß: Die Veranstaltung musste kurzfristig auf die Burg verlegt werden, weil die ursprünglich vorgesehene Buchhandlung Hintzen die Besucher nicht mehr hätte fassen können. Dass es dabei auch kontrovers zugehen durfte, zeigte Verbeet schon an der Auswahl der beiden Texte, die er mitbrachte und von Sigrun Hintzen auszugsweise vortragen ließ. Neben dem Artikel über Hendricks' Auftritt in Lima auch die vielbeachtete Reportage von Spiegel-Redakteur Markus Feldenkirchen, der Martin Schulz im Wahlkampf begleitet hatte und eine in dieser Form einzigartige Geschichte über Schulz und die Bundestagswahl erzählen konnte.

Hendricks hat, wie immer an diesem Abend, eine klare Meinung zum Thema Schulz. Es sei dessen Entscheidung gewesen, dem Artikel zuzustimmen. Vorwürfe würde sie ihm dafür nicht machen. Sie hätte aber anders entschieden. "Ich bin da eher für mehr Distanz", sagt sie. Fotos aus ihrer Wohnung lehne sie zum Beispiel ab.

Nur einmal habe sie eine Ausnahme dabei gemacht. Für ein Porträt in der RP ist vor einigen Jahren ein Foto auf dem Balkon ihres Hauses entstanden. Dann gibt sie aber doch ein wenig von sich preis: "Ich bin ungeduldiger geworden", sagt sie. Ihre Nichten hätten ihr mal gesagt, dass sie immer gute Laune habe. Sie hoffe, sich das wenigstens einigermaßen erhalten zu haben. "Ich schreie jetzt nicht herum und werfe mit dem Aschenbecher, so wie es auch mal bei Ministern vorkommen soll."

Natürlich ist eine Veranstaltung zum Geburtstag eines Magazins auch Werbung für genau dieses. Im schlimmsten Fall wird sie zur Kaffeefahrt in der Kantine. Das Gegenteil war der Fall. Hendricks' Meinungsfreude ("Der Spiegel muss weiblicher werden") und Verbeets Offenheit ("Die Lima-Geschichte hätte ich so nicht stehen lassen") sorgten für einen sehr unterhaltsamen Abend. Ein Abend, bei dem es um Klima und gesellschaftliches Klima ging. Um Politik und Persönliches.

Und nicht zuletzt das Publikum in Kleve bewies den richtigen Riecher. Von drei möglichen Geschichten für die Titelaufmachung der aktuellen Ausgabe entschieden sie sich genau wie die Chefredaktion an der Ericusspitze in Hamburg: Das aufstrebende China. Zur Belohnung gab es eine Auswahl möglicher Titelentwürfe zu sehen, die normalerweise nicht den Weg nach draußen finden. Das Näschen der Klever ist aber auch nicht verwunderlich, wie Verbeet augenzwinkernd über sich selbst meinte: "Um es mit Hans Dieter Hüsch zu sagen: Der Niederrheiner weiß nix und kann viel erklären. Das ist die perfekte Voraussetzung, um Journalist zu werden."

(lukra)
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