Friedrich Merz in Kleve „Der Kanzler hat einen Amtseid abgelegt und kein Schweigegelübde“

Kleve · Zwei Tage nach seinem Besuch in der Ukraine trat der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in der Klever Innenstadt auf. Seine Rede war geprägt von dem vielbeachteten Besuch – am Ende gab es aber auch noch Landtags-Wahlkampf.

 Gute Laune beim Wahlkampfbesuch: Friedrich Merz am Donnerstagvormittag in der Klever Innenstadt.  
  RP-Fotos:    Klaus-Dieter Stade

Gute Laune beim Wahlkampfbesuch: Friedrich Merz am Donnerstagvormittag in der Klever Innenstadt. RP-Fotos: Klaus-Dieter Stade

Foto: Klaus-Dieter Stade (kds)

Auf dem Weg zur Imbissbude wird es nochmal eng. Autogramme schreiben, Fotos knipsen. Friedrich Merz nimmt sich die Zeit, lächelt geduldig. Dann bahnt er sich den Weg durch die Handys und Kugelschreiber zur Theke. Softdrinks und Currywurst. Ausgerechnet. Vor genau zehn Jahren ist die NRW-SPD mit dem Slogan „Currywurst ist SPD“ um die Häuser gezogen – und hat die Wahl mit Hannelore Kraft an der Spitze haushoch gewonnen. Jetzt steht Merz mit Pappschälchen und Holzpieker in der Fußgängerzone der Klever Innenstadt. Der Niederrhein ist Stammland der Christdemokraten, keine andere Partei im Kreis Kleve hat seit dem Zweiten Weltkrieg Direktkandidaten in den Land- oder Bundestag geschickt. Das ist auch am 15. Mai ihr Anspruch: Am Niederrhein soll selbst die Currywurst CDU sein.

Gerade mal 48 Stunden ist es her, dass die Bilder von Friedrich Merz um die Welt gingen. Abermals schüttelte der Oppositionsführer Hände und führte Gespräche. Allerdings nicht in der Klever Innenstadt, sondern 1700 Kilometer Luftlinie weiter östlich in Kiew. Mit seiner Reise im Schlafwagen in die Ukraine, den folgenden Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyi und den beiden Klitschko-Brüdern, sorgte Merz für Schlagzeilen. Als Mann der Stunde kam er also an den Niederrhein, zur Unterstützung des Wahlkampfs der beiden Kandidaten Günther Bergmann und Stephan Wolters.

Auf Landtagswahlkampf musste man bei seinem Auftritt dann aber erst einmal warten. Es ging zunächst, klar: um den Besuch in der Ukraine. „Ich fühle mich nach meiner Rückkehr darin bestätigt, dass es richtig war, dass ich in der Ukraine war“, sagte er unter dem Applaus der Zuschauer, die am Donnerstagvormittag den Weg an den Klever Elsabrunnen gefunden hatten. In Irpin, einer Stadt etwas kleiner als Kleve, habe er „vollkommen sinnlose Zerstörung“ erlebt, 50 Prozent der Häuser seien nicht mehr bewohnbar. Er habe aber auch Menschen getroffen, die sich dem russischen Vormarsch entgegengestellt hätten. „Bei mir mischen sich Respekt und Entsetzen. Sie kommen mit Bildern im Kopf zurück, die vergessen Sie nie wieder.“

Ausdrücklich lobte Merz die Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz, in der dieser sich zur Solidarität mit der Ukraine bekannt und eine Modernisierung der Bundeswehr angekündigt hatte. Nicht das einzige Mal, dass Merz an diesem Vormittag anerkennende Worte für die Regierung findet. Respekt zolle er auch Wirtschaftsminister Robert Habeck und dessen Kommunikationsfähigkeiten. Wo immer es möglich sei, müsse man in diesen Zeiten zusammenstehen, sagte Merz. „Und wenn der Bundeskanzler etwas Richtiges sagt, bestreite ich es nicht, nur weil ich in der Opposition bin.“ Aber wo man nicht einer Meinung sei, da werde man das auch deutlich machen. Vom Bundeskanzler etwa sei nach der „guten Regierungserklärung“ wochenlang nicht mehr viel gekommen. „Das Kanzleramt ist doch kein Trappistenkloster. Der Kanzler hat einen Amtseid abgelegt und kein Schweigegelübde.“ Merz forderte Scholz auf, dass er seine Politik den Menschen überall im Land besser erklären müsse. „Der Bundeskanzler muss auch auf den Marktplatz nach Kleve kommen und sich erklären.“

Dank sprach der CDU-Chef all jenen Menschen aus, die Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen haben. „Da hat sich Deutschland von seiner besten Seite gezeigt.“ Bei der Verteilung der Flüchtlinge müsse man noch nachsteuern: Während zunächst viele Menschen in die Großstädte gekommen seien, gebe es in kleinen und mittleren Städten, auch in Kleve, noch Kapazitäten.

Und dann ging es doch noch um die anstehende Landtagswahl in NRW. Auf Spitzen gegen den politischen Mitbewerber und Angriffe, die man früher Rote-Socken-Kampagne genannt hätte, verzichtete Merz dabei praktisch komplett. Die Strategie in Berlin und Düsseldorf scheint dieses Mal eine andere: Statt auf die anderen zu schauen, stellte Merz die eigenen Leute nach vorne. Hendrik Wüst sei gerade mal 200 Tage im Amt und in Umfragen schon einer der beliebtesten Politiker in NRW. Ihm würden hohe Kompetenzen zugesprochen, als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz sei er deutschlandweit bekannt. Herbert Reul habe als Innenminister der Clan-Kriminalität den Kampf angesagt.

Nach der Rede gab es eine Currywurst am Elsabrunnen.

Nach der Rede gab es eine Currywurst am Elsabrunnen.

Foto: Klaus-Dieter Stade (kds)

Das kommt an beim überwiegend älteren Publikum vor der Bühne, an den Tischen der Eisdiele und Cafés rundherum. Merz darf sich, obwohl eigentlich Sauerländer, wie bei einem Heimspiel fühlen in der niederrheinischen Provinz. Das war bei vorangegangenen Auftritten nicht immer der Fall: In den vergangenen Tagen hatten Demonstranten Auftritte von Merz genutzt, um sich Gehör zu verschaffen und um Veranstaltungen zu stören, auch in Kleve war entsprechend Sicherheitspersonal engagiert worden. Nichts dergleichen aber passierte. Stattdessen gab es Fotos, Currywurst und zufriedene Gesichter bei den Wahlkämpfern vor Ort, ehe Merz in seine Limousine stieg und zur nächsten Veranstaltung aufbrach. Das ist sicher auch die bessere Wahl, um pünktlich anzukommen: Denn während man zwar mit dem Schlafwagen offenbar planmäßig nach Kiew kommt, ist man am Niederrhein zuweilen verlassen, wenn man sich auf die Bahn verlässt.

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