Dr. Joachim Reuter, Governor Rotary-Distrikt 1870 Auf Ethik und Moral zurückbesinnen

Kleve · Dienen ohne Eigennutz stellt Rotary in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Beim Rotary-Tag in Kleve werden hochrangige Referenten und Gäste aus ganz Deutschland diskutieren, wie Werte gegen die Gier nach Geld und Macht wirken können.

 Sie sind die Rotarys Botschafter: junge Menschen aus aller Welt, die durch die Austauschprogramme zusammengeführt werden. Das Foto zeigt die Teilnehmer, die derzeit in den 74 Clubs des Distrikts 1870 zu Gast sind.

Sie sind die Rotarys Botschafter: junge Menschen aus aller Welt, die durch die Austauschprogramme zusammengeführt werden. Das Foto zeigt die Teilnehmer, die derzeit in den 74 Clubs des Distrikts 1870 zu Gast sind.

Foto: privat

Kleve Im Februar werden Rotarier aus ganz Deutschland an die Hochschule Rhein-Waal kommen, um über Ethik und Moral zu diskutieren. Dr. Joachim Reuter aus Moers, Governor der Rotarier im Distrikt 1870, hat diese Veranstaltung an den Niederrhein gehört. Die Rheinische Post sprach mit ihm über den Rotary-Tag und seine ersten Erfahrungen in seinem Amt.

Dr. Joachim Reuter, Governor Rotary-Distrikt 1870: Auf Ethik und Moral zurückbesinnen
Foto: NN

Seit dem 1. Juli sind Sie für ein Jahr einer von weltweit 537 Governors bei Rotary. Was macht man als Governor in den ersten Wochen seines Amtes?

Reuter Seine Clubs besuchen. Und natürlich ist es Aufgabe des Governors, den Clubs den strategischen Plan zu vermitteln, der vom mit Rotariern aus der ganzen Welt besetzten Vorstand von Rotary International beschlossenen wurde. Ganz wichtig aber ist, dass ein Governor seine Clubs kennt; das sind in meinem Distrikt 74 von Neuss bis über Münster hinaus und einer, der in Kürze gechartert wird. Hinzu kommen noch die Clubs unserer Jugendorganisation Rotaract. Man möchte erfahren, wobei und insbesondere bei welchen Projekten die Clubs unterstützt werden können, was die Clubs wirklich bewegt und bei welchen Problemen in den Clubs man helfen kann.

Um welche Probleme handelt es sich denn?

Reuter Sie sind ganz unterschiedlich; wie überall gibt es unterschiedliche Meinungen und Interpretationen von Regeln in den Clubs. Wir diskutieren – etwa über die Kriterien, wer Rotarier werden kann. Dabei unterstütze ich die Freunde in den Clubs, das zu tun, was in ihrer wichtigsten Aufgabe weiterhilft, nämlich zu dienen und das Dienen über den Eigennutz zu stellen. Deshalb sollten die Clubs bei der Aufnahme neuer Rotarier auf deren Potenzial zum Dienen ohne Eigennutz achten und nicht nur auf die Position. Vielleicht spürt man ja weltweit, dass die Führenden oder gar Mächtigen keineswegs immer prädestiniert sind, Vorbilder zu sein. Und wir haben eine rotarische Ethik, nach der Rotarier handeln sollten. Das ist die Vier-Fragen-Probe. Das ist kein moralischer Schamgürtel, sondern eine Hilfestellung. Das weiß jeder, der versucht, danach zu leben – auch wenn das nicht immer und vielleicht nicht einmal oft gelingt.

Sie sprechen von Freunden, gibt es inzwischen nicht auch weibliche Mitglieder in den Clubs?

Reuter Glücklicherweise gibt es sie, und Rotary drängt auch inzwischen – durch ein Gerichtsurteil in Kalifornien zunächst gezwungen, jetzt aber ganz freiwillig und in bester Überzeugung – zur Nutzung dieses wunderbaren Potenzials. Da es rotarisch keinen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Rotariern gibt, verwende ich den Begriff "Rotarier" geschlechtsneutral – gleichberechtigter geht es nicht.

In einem früheren Interview hatten Sie als wichtiges Thema Ihres Governorjahres die Ethik genannt. Was wollen Sie bewegen?

Reuter Wir wollen versuchen, erschreckende Dinge, die nicht erst seit der Finanz- und Wirtschafts-krise und seit den Verfehlungen auch von Politikern und sogar Kirchenleuten offensichtlich geworden sind, auf ihre wirklichen Ursachen zurückzuführen. Vielleicht können wir als Rotarier andere davon überzeugen, dass unübersehbare Gefahren drohen, wenn die Gewaltenteilung nicht mehr funktioniert und Gesetze nicht mehr gelten. Dann verdrängt Machtstreben die Moral. Die rotarische Vier-Fragen-Probe kann da ganz hilfreich sein. Sie schafft bei Verfehlungen zumindest Unrechtsbewusstsein.

In unserer Region findet im Februar der Rotary-Tag statt. Was ist das für eine Veranstaltung?

Reuter Es ist der fünfte seit 2010 alljährlich von Distrikt zu Distrikt wechselnd stattfindende und der Ethik gewidmete Tag. Im Februar 2014 ist er in unserem Distrikt in der neuen Hochschule Rhein-Waal in Kleve. Kompetente Referenten werden zeigen, wie Politik, Wirtschaft und Finanzen und leider auch die Strafverfolgung bisweilen verflochten sind. Das Streben nach Rendite, Auflagenhöhe, Einschaltquoten und nach Macht wird durch das Gewissen und ethische Prinzipien wie den "Ehrbaren Kaufmann" nicht mehr kontrolliert. Oft geschieht das ohne Unrechtsbewusstsein, weil "das doch normal ist und es alle so machen". Vorbilder kommen uns dabei völlig abhanden. Die Tagung wird aber auch zeigen, dass ethische Prinzipien wie die "Vier-Fragen-Probe" nicht reichen, sondern wir ein zusätzliches Fundament brauchen.

Was ist dieses Fundament?

Reuter Von dem deutschen Physiker Werner Heisenberg ist das Zitat überliefert, wer aus dem Becher der Naturwissenschaften trinke, werde nach dem ersten Schluck atheistisch, am Boden des Bechers finde er Gott. Nicht etwa, weil er jetzt Gott beweisen könne, sondern weil er dort Dinge finde, die jeglicher Vernunft widersprechen und daher ehrfürchtig machen vor etwas, was wir nicht begreifen können. Und wer dies – wie viele Quantenphysiker – nachvollzieht, für den verlieren Geld und Macht ihre Bedeutung. Und wenn die Gier nach Geld und Macht ein wenig schwinden würde, wäre schon viel gewonnen – für Ethik und Moral. Auch über diese Dinge wird am Rotary-Tag in Kleve gesprochen werden.

DAS INTERVIEW FÜHRTE DIRK MÖWIUS.

(RP)
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