Aufgelöste Sammlung Kalkars „Villa Burg“ bietet ihre Schätze an

Kalkar · Beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit sammelte sich in der „Villa Burg“ an der Bollwerkstege in Jahrzehnten eine nahezu unglaubliche Menge antiker Kostbarkeiten an. Nun möchten die Eigentümer die Sammlung auflösen.

Sammlung der Villa Burg in Kalkar wird aufgelöst
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Kalkars „Villa Burg“ bietet ihre Schätze an

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Foto: Evers, Gottfried (eve)

Die beiden älteren Herren, die die Rheinische Post unabhängig voneinander nach dem Weg fragt, denken angestrengt nach und schütteln dann bedauernd ihre grauen Köpfe. „Villa Burg“? Kennen sie nicht. Herrschaftliche Villen – sicher, davon gibt es in Kalkar einige. Aber was sich da an der Bollwerkstege hinter einer hohen Hecke versteckt, kennen nur Eingeweihte.

Ausnahmsweise steht für den Pressebesuch das Tor offen, mitten im wild wuchernden Park ist ein gelbliches, eindrucksvolles Wohnhaus mit klassizistischer Fassade auszumachen. Da steht sie, die Villa, die das Ehepaar Heinz und Beatrix Pariser, das davor in Xanten lebte,  vor 24 Jahren von der Kirchengemeinde kaufte. Weil die beiden Sammler mehr Platz brauchten, als sie ihn bis dahin (in einem ebenfalls geräumigen Herrenhaus) hatten. Wer heute durch die Eingangstür tritt, stellt allerdings fest, dass auch mehr als 800 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche durchaus beengt wirken können. Jedenfalls wollen die Eigentümer einen Strich unter diesen Teil ihres Lebens ziehen und im Alter ohne die Last von so viel Besitz leben. Sie haben einen Antiquar und einen Antiquitätenhändler beauftragt,  möglichst alles zu verkaufen, was sich in dem Haus befindet. Und falls sich jemand findet, der für die Immobilie einen guten Preis findet, so ist auch der willkommen.

Rainer Hecke, der in der niederländischen Bücherstadt Bredevoort wohnt und mit und von bibliophilen Kostbarkeiten lebt, ist einer der beiden Männer, der Medienvertretern jetzt Zugang zur „Burg“ verschaffte. Der andere ist Gerfried Schell aus Rees, der das Ehepaar Pariser schon lange kennt. Nun geht es darum, Möbel, Teppiche, Bilder, Skulpturen und Bücher zu verkaufen. Am Mittwoch, 3. Oktober, steht das Haus Bollwerkstege 3 für Kaufinteressenten offen. Nicht viele dürften vorher schon einmal dort gewesen sei, denn das Ehepaar lebte sehr zurückgezogen, vor allem, seit Heinz Pariser geschäftlich nicht mehr aktiv ist und keine gesellschaftlichen Verpflichtungen mehr hat. Der frühere Finanzmakler, der in fast allen Teilen der Welt unterwegs war und 40 Jahre lang unendlich viele Erinnerungen an seine Reisen mit nach Hause brachte, hat beschlossen, die Sammlung aufzulösen. Am 3., 6., 7., 13. Und 14. Oktober jeweils von 11-17 Uhr werden Helfer die Interessenten informieren und Preisvorschläge entgegennehmen.

Der Ursprung der „Villa Burg“ geht auf die Zeit um 1600 zurück. Fundamente der Festung aus dieser Zeit tragen das Gebäude bis heute. Damals war es von Gräften umschlossen, in Steinwurfnähe lag einer der beiden städtischen Häfen, der den Zugang zum Rhein ermöglichte. Was man über das Haus nahe der Stadtmauer weiß, ist nicht allzu viel: „Es soll vor Jahrhunderten das Erbe einer Waise gewesen sein, die dort mit einer Angestellten lebte. Später kamen Familien und Ostflüchtlinge, selbst als Hühnerfarm soll das Anwesen mal gedient haben“, berichtet Heeke. Um 1870 wurde das Haus nach italienischem Vorbild umgebaut.

Der 76-jährige Heinz Pariser ist vor allem, seit sein Gärtner ausgefallen ist, nicht mehr glücklich mit seinem Besitz. „Im Park ist seit zwei Jahren nichts mehr passiert, der trockene Sommer kam hinzu – wir können das alleine nicht mehr schaffen“, sagt er.  

Eine 300 Jahre alte Buche verdeckt das Haus beinahe, Walnussbäume und auch mediterrane Gehölze waren mal prächtig, sind inzwischen aber verwildert. 3000 Quadratmeter Dornröschen-Paradies. „Wir waren erschlagen, als wir das Haus erstmals betraten“, erinnert sich Rainer Heeke. Und auch Gerfried Schell, der schon vieles gesehen, mit vielem gehandelt und viele Kleinode restauriert hat, war fassungslos. Die Männer sahen sich dem Ergebnis einer 40-jährigen Sammelleidenschaft gegenüber, die offenbar vor fast nichts halt gemacht hatte. Ob Jugendstil-Porzellan, Biedermeier-Skulpturen, Delfter Fliesen, afrikanische Masken, expressionistische Gemälde, Niederrhein-Kupferstiche, antike Teppiche, prächtige Lüster oder japanische Schränke – es gibt alles. Hinzu kommt eine Bibliothek, deren maßgefertigte Bücherregale zusätzliche Miniaturen, Fotos in fein gearbeiteten Bilderrahmen, optische Geräte und diverse Überraschungen bergen. In einer der oberen Etagen stehen Schränke, in denen Klassiker der Literatur zu finden sind. Durchaus auch Erstausgaben, in Leder gebunden, mit wunderbaren Illustrationen. Neben Goethe, Schiller, Lessing auch Werke aus 1001 Nacht und überhaupt Märchen aus vielen Ländern.

In der „Villa Burg“ wurde auch gelebt, gewohnt, gekocht. Das sieht man zum Beispiel im Bereich Küche und Esszimmer, der ebenso wenig ohne Hinterglasbilder, antike Stoffe und exotische Skulpturen auskommt wie der Rest des Hauses. Bilder hängen auch in den Fluren und im beeindruckenden Treppenhaus. Vom Gewölbekeller aus führt eine Tür in den Garten.

Ob Heinz Pariser, der zu  jedem Objekt seiner Sammlung eine Geschichte erzählen kann, während der Besichtigungszeiten auftauchen wird, weiß er noch nicht. Die beiden Organisatoren der Verkaufsaktion deuten an, dass es dem Eigentümer doch sehr schwer fällt, diesen Schnitt zu machen. Zumal das Haus selbst erst durch seine letzten Besitzer zu neuem Leben fand: „Wir haben damals, vor 25 Jahren, Handwerker gesucht, die noch die alten Techniken der Restaurierung beherrschten. Die wussten, wie man passende Tapeten klebt, Vorhänge drappiert, Böden instand setzt, Fliesen findet, die zu den alten passen.“ Echter Stuck verziert mehrere Räume, einer originalen Bleiverglasung im Treppenhaus hat nicht einmal der Krieg etwas anhaben können.

Zur Stadt Kalkar, sagt Heinz Pariser nachdenklich, habe er nie eine große Nähe aufbauen können. Von Rat und Verwaltung kenne er kaum jemanden. Dabei gehöre das Haus doch zu Kalkar unbedingt dazu.

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