Historische Fassaden Altes Kleve mit Schlösschen und Brauerei
Kleve · Wir nehmen Leser mit auf einen Spaziergang durch das historische Kleve. Heute führt uns der Weg vor das alte Kavarinertor, das am Haus Koekkoek stand.
Schwere Backsteinvillen mit Fachwerkansatz, Häuser, die ans Bauhaus-Bauen der 1920er und 1930er Jahre erinnern, Gründerjahre- und Jugendstilbauten, gute und leider auch nicht so gute Neubauten – und nicht zuletzt eine Villa fast wie ein kleines Schlösschen. Die thront in ihrem kleinen Park hoch über den „Dingen“. Es ist ein Stadtteil, der kurz vor den Toren der alten Klever Stadtmauer entstand: Held- und Karlstraße, Bergstraße bis zur Gruft. Es ist das Viertel, das nach dem Abriss des Kavarinertors, das auf Höhe von Haus Koekkoek stand, gebaut wurde. Wiltrud Schnütgen vom klevischen Verein für Kultur und Geschichte ist Stadtführerin und hat eine spannende Reihe von Häusern ausgesucht, die zum Rundgang dort einladen.
„Heute bewegen wir uns in einem sehr alten Teil der Stadt. Die Karlstraße führt von der unteren Weberstraße zur Heldstraße. Die Bergstraße verbindet Held und Gruft“, sagt Schnütgen.
Während es keine Erklärung für den Namen Karlstraße gebe, sei es bei der Gruft eindeutig, erklärt Schnütgen: „Vor allem der obere Teil der Gruft zwischen Arntz- und Heldstraße glich einer Grube bzw. Schlucht. Eine niederländische „Gracht“ und eine Gräfte führen zwar Wasser, aber der Name „Gruft“ hänge mit der Vertiefung, der schluchtartigen Führung des Weges zusammen. In späteren Jahren wurde die Gruftstraße nicht nur teilweise zugeschüttet, sondern auch stark verbreitert, erklärt sie den Straßennamen und zeigt nochmal deutlich auf, dass der Name nichts mit einer Grabstätte zu tun hat.
Der Name Heldstraße tauche schon im 14. Jahrhundert auf und beziehe sich vermutlich auf einen Flurnamen, so Schnütgen weiter. Sie verlief am unteren Ende früher weiter östlich und war ursprünglich wohl eine bogenförmige Einheit mit der Spyckstraße. Das Haus Karlstraße 4 bis 6 sei schon um 1905 erbaut worden, wohl vom Schreinermeister Jakob Neyenhoven, der im Adressbuch 1914 als Eigentümer genannt wird. „Bis vor einigen Jahren gab es noch Möbel im Schaufenster zu bestaunen, die den Charme der 1960er-Jahre hatten, ein reizvoller Anachronismus, hier war die Zeit scheinbar stehengeblieben“, so die Stadtführerin. Der schöne Backsteinbau gegenüber gehörte dem Anstreichermeister Anton Büning, der selbst jedoch an der Kavarinerstraße wohnte.
An der Heldstraße sind – gerade im unteren Bereich – einige schöne Häuser erhalten geblieben, wie das Brauereigebäude der Familie Dyckmans, erklärt Schnütgen. Gelegentlich werden noch Porzellanverschlüsse der alten Bierflaschen in Klever Böden entdeckt. Die mit König (Pilsener) verwandte Brauereifamilie stamme aus einer weitverzweigten, alten Klever Familie. Es ist das stattliche Haus mit dem Fachwerk im Giebel.
Die alten Häuser setzten sich bis vor kurzem weiter fort, an der Ecke zur Karlstraße steht hoch das Haus Boschenhoff. Das erinnert an das sogenannte Neue Bauen mit seiner markanten Rundung zur Straßenecke und der teils aufwendig gestalteten Verklinkerung. Daneben stand bis vor kurzem ebenfalls ein kleineres aber liebevoll gestaltetes Backsteinhaus, das abgerissen und durch einen Putzbau ersetzt wurde, dessen mit Stehfalzblechen verkleideter Giebel deutlich über den historischen Eckbau hinausragt und mit Fensterchen auf die Straße schaut.
Gleich auf der anderen Straßenseite wird der Flaneur der Fassaden wieder belohnt: „Das schöne Backsteinhaus mit Erker und ,Zwergenhaus’ steht direkt gegenüber, es stammt aus der Zeit von 1910, das Adressbuch 1914 verzeichnet den Schreiner Wilhelm Berns als Eigentümer“, sagt Schnütgen. Kurz darüber ist das in jüngster Zeit öfter vorgestellte Doppelhaus zu sehen, welches auf der linken Seite auf einem verputzten Backsteinhaus aus dem dritten Viertel des 19. Jahrhunderts stammt, so die Stadtführerin. Hier wurde beim Neubau teils nur die Fassade stehen gelassen und daran ein gut proportionierter Neubau herangesetzt, der mit zeitgenössischer Architektursprache trotzdem die Proportionen des alten Baus aufgreift.
„An der Bergstraße stehen verschiedene Individualbauten wie das kleine weiße Häuschen in der nach links verlaufenden 90 Grad-Kurve, der beherrschende Bau ist jedoch die Villa der Gräfin von Boullion, deren Mutter die Malerin Gisela Baur-Nütten war“, so Schnütgen. Der Vater der Malerin, Karl Eugen Nütten, habe die Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Villa zunächst als Sommersitz gekauft, er wohnte seit 1896 in Kleve. Seine Frau Anna Startz war Schriftstellerin, seine Tochter Malerin, deren Tochter Ballettlehrerin – somit wohnte hier über drei Generationen eine Künstlerinnenfamilie. Es ist eine Villa, die fast schon Schlösschen-Charakter hat.
Am Ende der Bergstraße/ Gruftstraße, steht die Villa Flora aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Adressbuch von 1914 weist den Brauer Heinrich Dyckmans als Eigentümer aus. Weiter oben wurde erst kürzlich das Haus Gruftstraße 6 saniert, nach jahrelangem Leerstand. Der Klever Architekt Werner van Ackeren hatte das um 1900 entstandene Backsteinhaus einst aus seinem Dornröschenschlaf erweckt.