Kleve 22 Jahre Eheberatung - eine Bilanz

Kleve · Paar-Therapeutin Melitta Pawlow-Deconinck hat mehr als zwei Jahrzehnte fürs Bistum Münster in Kleve Familien beraten. Ihr Tipp: Wer eine funktionierende Beziehung führen will, sollte sich regelmäßig mit dem Partner austauschen.

 Mit Holzklötzen können Ratsuchende zusammen mit der Paartherapeutin Melitta Pawlow-Deconinck sie sogenannte Familien-Aufstellung "nachstellen" und auf diese Weise deutlich machen, in welchen Beziehungen deren Mitglieder zueinander stehen.

Mit Holzklötzen können Ratsuchende zusammen mit der Paartherapeutin Melitta Pawlow-Deconinck sie sogenannte Familien-Aufstellung "nachstellen" und auf diese Weise deutlich machen, in welchen Beziehungen deren Mitglieder zueinander stehen.

Foto: Gottfried Evers

Eigentlich, meint Eheberaterin Melitta Pawlow-Deconinck, seien die Probleme von Paaren seit Jahrzehnten die gleichen. Ehebruch, Probleme mit Schwiegereltern oder körperliche Entfremdung im Laufe der Beziehung - mit diesen Konflikten seien die Menschen auch vor gut 22 Jahren schon zu ihr gekommen. Damals übernahm die heute 63-Jährige die Leitung der Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) des Bistums Münster an der Turmstraße in Kleve, wo kostenlose Hilfe angeboten wird.

Verändert hätte sich seitdem nur der Umgang mit Schwierigkeiten und die Wege zur Lösungsfindung. "Man macht nicht mehr nur die Faust in der Tasche und versucht, die Situation um jeden Preis auszuhalten", sagt die Paartherapeutin, die ihren Posten kommende Woche an Nachfolger Stephan Billen übergeben wird.

Bei den meisten Paaren seien die Streitpunkte immer auf mangelhafte Kommunikation zurückzuführen, erklärt Melitta Pawlow-Deconinck. "Miteinander sprechen oder dem anderen zuhören", sagt die Therapeutin, "das muss man manchmal erst einmal lernen." Probleme mit den Schwiegereltern, Eltern oder dem eigenen Nachwuchs würden meist dadurch verstärkt, dass die Partner sie untereinander nicht thematisieren. Auch nach dem Verlust eines Kindes könne das der Fall sein. "Der eine will trauern, der andere endlich abschließen. Da muss man reden, um sich nicht voneinander zu entfernen."

Die Menschen, die bei der EFL in der Turmstraße in Kleve Hilfe suchen, kommen aus allen Schichten der Bevölkerung. Sie sind verheiratet, in Beziehungen - auch gleichgeschlechtlich - oder nach einer Scheidung mit einem neuen Partner zusammen. Die Jüngsten sind 18 Jahre, Melitta Pawlow-Deconincks ältester Klient war 82 Jahre alt. "Auch dann kann es noch um Untreue gehen."

Die Sehnsucht nach Geborgenheit und einer Familie sei bei allen Menschen stark aufgeprägt, aber höher gebildete würden sich seltener oder eher später im Leben auf langfristige Beziehungen einlassen. "Weil sie der Meinung sind, dass sie das neben der Karriere nicht schaffen oder wegen ihres Berufs nicht sesshaft werden können", erklärt die Therapeutin. Andere wiederum würden gerade früh heiraten, um dem Elternhaus zu entfliehen. "Manche Menschen brauchen zunächst eine Einzeltherapie, weil sie mit sich selber hadern, bevor wir an ihrer Beziehung arbeiten können."

Auch wenn sich die Probleme im Grunde nicht verändert hätten, so seien doch die Spielvarianten je nach Generation andere. Beispielsweise biete das Internet heute Ausweichmöglichkeiten, die es früher nicht gegeben habe. "Wenn ein Partner stundenlang im Internet mit fremden Menschen chattet, entzieht er sich dem anderen dadurch. Das kann dann schon geistiges Fremdgehen mit einem Fantasiepartner sein", meint die Beraterin. An Situationen arbeiten sollten Paare immer dann, sobald einer von beiden darunter leidet.

Deutlich mehr Menschen als früher kämen heute in die EFL, meint Melitta Pawlow-Deconinck, gerade bei Männern sei die Hemmschwelle gefallen. Früher mussten neue Klienten drei Monate auf einen Termin warten, inzwischen kann es bis zu fünf Monate dauern. "Das Bewusstsein hat sich verändert", erklärt sie. "Man darf sich heute eingestehen, dass man nicht alle Probleme alleine lösen kann, ohne von seinem Umfeld als Weichei abgestempelt zu werden." Bei Frauen hätten sich die Problemfelder verschoben. "Früher hatten sie Burnout, weil sie alleine mit den Kindern zu Hause saßen, während der Mann Bestätigung durch seiner Arbeit und soziale Kontakte erfuhr. Heute bekommt sie es, weil sie Beruf und Familie unter einen Hut bringen muss." Im Kopf funktioniere die Emanzipation, in der Realität dagegen eher selten.

Um langfristig eine funktionierende Beziehung zu führen, sollten die Partner sich regelmäßig untereinander austauschen, um zu wissen, was im anderen vor sich geht. Denn "in jeder Beziehung stecken zwei Individuen mit eigenen Geschichten", sagt Melitta Pawlow-Deconinck.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort