Kleve 22-jähriger Pole in Kleve totgeprügelt

Kleve · Erster Tag im Totschlag-Prozess: Die Jugendkammer des Landgerichts Kleve verhandelt gegen einen 20-jährigen Mann, der im September 2012 in einer Wohnung an der Küppersstraße nachmittags einen Bekannten umgebracht hat.

 Beamte der Kriminalpolizei überwachen nach Einbruch der Dunkelheit in Kleve den Abtransport der Leiche des jungen Polen.

Beamte der Kriminalpolizei überwachen nach Einbruch der Dunkelheit in Kleve den Abtransport der Leiche des jungen Polen.

Foto: Schulmann

Es klingt ein wenig beiläufig, wie der Mann auf der Anklagebank sagt: "Da habe ich ihm eine verpasst." Es habe eine Schlägerei gegeben, und dann habe er einen Blackout gehabt. Der Gerichtsmediziner Dr. Matthias Schubries benötigte eine gute halbe Stunde, um der Jugendkammer des Landgerichts Kleve darzulegen, was im einzelnen am Abend des 4. September 2012 in der Wohnung in der Küppersstraße geschah. Er sprach von "massiven Zertrümmerungen", von mehrfachen Brüchen, von einem "querverlaufenden Scharnierbruch der Schädelbasis", wie er beispielsweise durch "kräftiges Auftreten auf eine Schädelseite" hervorgerufen werden könne.

Letztendlich verstarb der 22 Jahre alte Mann daran, dass er an großen Mengen eingeatmeten Blutes erstickte. Da er bewusstlos war, funktionierte der Schluckreiz nicht mehr - das Blut lief einfach in die Lunge.

Die Jugendkammer des Landgerichts Kleve unter dem Vorsitz von Richter Christian Henckel steht seit gestern vor der schwierigen Aufgabe herauszufinden, was Michael M., Schulabbrecher, Gelegenheitsarbeiter, wegen kleinerer Gewaltdelikte bereits aktenkundig, tatsächlich zu diesem Exzess trieb. Michael M. entschied sich auf Anraten seines Anwalts, Dr. Karl Haas, zur Sache auszusagen. Dass der 20 Jahre alte Mann der Täter ist, daran besteht kein Zweifel. Als er unmittelbar nach der Tat festgenommen wurde, sagte er einem Polizeibeamten: "Alles ist cool und ich fühle mich total entspannt." Da war er in die Wohnung seines Bruders geflüchtet und hatte sich seiner bluttriefenden Kleidung entledigt. Schon damals war er der Überzeugung, aus rechtschaffenen Motiven heraus gehandelt zu haben.

Gestern vor Gericht legte er seinen Geständnis erneut dar, was seiner Ansicht nach unmittelbar vor der Tat geschah. Er und das spätere Opfer, das erst wenige Tage zuvor aus Polen nach Deutschland gekommen war, um Arbeit zu suchen, machten sich in der Wohnung von Michaels Mutter einen entspannten Nachmittag. Sie chillten, wie das auf neudeutsch heißt. Auf YouTube lief der polnische Rap "nasze bloki" (unser Block), auf Facebook wurde gechattet, und M., der seinen Angaben zufolge schon Amphetamine intus hatte, kam auf die Idee, "ein paar Mädels aufreißen zu gehen, ein bisschen Spaß zu haben".

Da aber habe ihm sein Bekannter widersprochen. Er habe gesagt, dies habe er nicht nötig, da er doch bereits gestern seine Schwestern gehabt habe - so M. In dem Haushalt lebten auch die Zwillingsschwestern des Angeklagten, damals 14 Jahre alt. Aus den Einlassungen wurde nicht ganz klar, ob nun eine oder beide gemeint waren - klar ist jedoch, dass dies für Michael M. der Anlass war, über seinen Bekannten brutal herzufallen. Allerdings berichtete der Angeklagte auch, dass seine Schwestern ihm gesagt hätten, dass zwischen ihnen und dem Bekannten nichts vorgefallen sei. Wenn das Opfer also einen (schlechten) Scherz gemacht haben sollte, warum klärte es das Missverständnis nicht schnellstmöglich auf? Auch die Geschichte der Schlägerei hat einen Haken: Bei dem Opfer fanden sich laut Gerichtsmediziner keinerlei für einen Kampf typische Abwehrverletzungen. Staatsanwalt Martin Körber hat Totschlag im Zustand verminderter Schuldfähigkeit angeklagt, und es zeichnet sich ab, dass der psychiatrische Sachverständige, Dr. Jack Kreutz, Chefarzt der Rheinischen Kliniken, in diesem Verfahren eine entscheidende Stimme haben wird.

War die Tat die Folge eines Wahngebildes? "Ich höre keine Stimmen", sagte Michael M., der zurzeit in Essen in der Psychiatrie einsitzt, als er von Kreutz befragt wurde. Dann schilderte er, wie schlecht er im Gefängnis behandelt wurde und erklärte, dass er sich wegen dieser Missstände auch an die Bundeskanzlerin habe wenden wollen. "Aber jetzt möchte ich nicht mehr mit Angela Merkel telefonieren."

Der Prozess wird am 15. Januar fortgesetzt.

(RP/top)
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