Kranenburg-Frasselt/Schottheide 17. 9. 1944: Bomben nach dem Hochamt

Kranenburg-Frasselt/Schottheide · Das wohl düsterste Kapitel des Dorfes Frasselt wurde am 17. September 1944 geschrieben, als wenige Minuten nach dem Hochamt alliierte Bomben fielen und viele Kirchgänger trafen. Die Frasselter Chorchronik dokumentiert den Tag.

 Blick auf das Nachkriegs-Frasselt, dessen Kirchturmspitze nicht mehr wie auf dem 1944 abgesprengten höheren Vorgänger den Wald überragt. Der Reichswaldrand hinter dem Straßendorf war am 17. September 1944 das Angriffsziel alliierter Bomber, die im Bereich Unterfrasselt (im Bild rechts) über ein Dutzend Menschen den Tod brachten.

Blick auf das Nachkriegs-Frasselt, dessen Kirchturmspitze nicht mehr wie auf dem 1944 abgesprengten höheren Vorgänger den Wald überragt. Der Reichswaldrand hinter dem Straßendorf war am 17. September 1944 das Angriffsziel alliierter Bomber, die im Bereich Unterfrasselt (im Bild rechts) über ein Dutzend Menschen den Tod brachten.

Foto: privat

Der 17. September 1944 war ein sonniger spätsommerlicher Sonntag, der am Morgen nicht ahnen ließ, dass er das düsterste Kapitel in der Dorfgeschichte einleiten sollte. Der längst verlorene Krieg war näher gerückt: Zurückflutende Wehrmachtskolonnen, weit mehr als tausend Zwangsarbeiter am Panzergraben zwischen Frasselt und Schottheide – ein Steinwurf östlich der heutigen B 504 – und ständig am Himmel kreisende feindliche Flugzeuge hatten seit Monatsbeginn die Szene geprägt.

Nach nächtlichem Fliegeralarm durfte an jenem Sonntag kein Sonntagsgottesdienst vor 10 Uhr beginnen. Nur wenige Minuten nach dem Hochamt fielen plötzlich Bomben. Viele Kirchgänger wurden auf dem Heimweg überrascht und von Splittern getroffen.

In Unterfrasselt starben 14 Menschen, die jüngsten sieben und drei Jahre alt, in Grafwegen kam eine Frau um. Etliche Zivilisten wurden verwundet. Der Arzt Dr. Alois Broekmann und der Kohlenhändler Heinrich van Elten bargen die Toten und brachten sie auf einem "Holzvergaser" (von brennenden Holzscheiten angetriebenem Lkw) zur Kirche. Dort wurden die Leichen eingesargt und drei Tage später auf dem nahen Friedhof beigesetzt. So hart hatte der Krieg an einem Tag bis dahin am ganzen Niederrhein noch kein Dorf heimgesucht. Soldaten blieben unbehelligt, obwohl denen der Angriff galt.

Waren doch den gegnerischen Aufklärungsfliegern in den Tagen zuvor die Truppenbewegungen am Waldrand nicht entgangen. Mit Leuchtkugeln konnten sie sogar nachts weiter beobachten. Obwohl das Militär schon von dannen gezogen war, wurde der ganze Waldrand mit Splitterbomben abgekämmt, die schon bei der ersten Berührung mit einem Ast explodierten und durch ihre Streuwirkung besonders Menschen gefährdeten. Vor der nach 13 Uhr einsetzenden angloamerikanischen Luftlandung auf den Höhen im Raum Groesbeek-Wyler sollte die deutsche Gegenwehr möglichst ausgeschaltet werden.

Erst am Abend sah man einzelne deutsche Soldaten. Am Nachmittag jenes 17. Septembers war man optimistisch: "Heute Abend sind die Tommies hier. Dann ist der Krieg für uns vorbei!". Doch das Ziel, die "Brücke von Arnheim" wurde zum Desaster, die Front setzte sich fest. Den Menschen in den grenznahen Ortschaften blieb nur die Evakuierung, die 19 Pfarrangehörige nicht überlebten.

Am 8. Februar 1945 begann Montgomery seine Offensive Richtung Wesel mit 300 000 Mann. Sie eroberten Frasselt und am nächsten Tag Schottheide. Der beginnende Endkampf des Nazi-Reiches traf das Klever Land mit voller Wucht. Viele Zivilisten kamen noch ins Lager Bedburg. Am Karfreitag, 30. März, gaben die Deutschen den Eltenberg auf.

Ab Ostern durften die ersten Zivilisten wieder heim. Die Häuser wie die Kirche waren teilweise eingerissen, weil man Schutt für die aufgeweichten Nachschubwege benötigte. Diese Zeit ist auf der digitalisierten Frasselter Chorchronik breit dokumentiert.

Interessierte können die CD für 10 Euro bei Günter Berson erhalten (Tel. 02826 7680).

(RP)
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