Weißes Kreuz in Kevelaer Gastfreundschaft als Familientradition

Kevelaer · Am Kapellenplatz 21 haben Ursula und Hubert Voss Generationen von Pilgern bewirtet und ein Dach über den Kopf gegeben. Jetzt ist Schluss. Ein Rückblick zum Jahresende.

 Im Herzen von Kevelaer: Ursula und Hubert Voss haben vom Platz am Fenster in der Gaststube das Wahrzeichen der Stadt, die Basilika, im Blick.

Im Herzen von Kevelaer: Ursula und Hubert Voss haben vom Platz am Fenster in der Gaststube das Wahrzeichen der Stadt, die Basilika, im Blick.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Die Tür wird schwungvoll geöffnet. Eine Dame im langen Mantel kommt herein. Sie habe eine Überraschung dabei ruft sie in den Gastraum. Die Überraschung ist der ältere Herr, der ihr folgt. Die Freude ist Ursula und Hubert Voss anzusehen. Leider müssen sie den Gästen sagen, dass sie geschlossen haben. Für immer. Nach drei, vielleicht sogar vier Generationen Gastfreundschaft ist Schluss für das Paar am Kapellenplatz. Es hat am Fenster der Gaststube Platz genommen. Der Blick geht Richtung Kerzenkapelle, dann zur Basilika. Mehr im Zentrum der Wallfahrtsstadt kann man eigentlich nicht sein.

„Wir haben das nicht leichtfertig so lange rausgezögert“, sagt Hubert Voss über den endgültigen Schlussstrich. Er wird im März 68 Jahre alt. Die vergangene Pilgersaison hat er gemeinsam mit seiner Frau und einer Aushilfe bestritten. Eigentlich sollte schon vorher der Ruhestand eingeläutet werden. Auch mit reduzierten Öffnungszeiten stand er noch 40 Stunden in der Woche in der Küche. Das ist sein Terrain und seine Leidenschaft. Er lacht. Ein Leben ohne Gasherd, an dem er kreativ sein kann, kann er sich nur schwer vorstellen. „Man muss ständig was Neues bringen, auch wenn man Tradition hat“, sagt der gelernte Koch. Testpersonen gab es immer aus seiner Familie. Wenn etwas gut aufgenommen wurde, kam es auf die Karte. Dafür wurden andere Gerichte runtergenommen – und trotzdem bestellt. So wie das Börsensteak. Das Steak mit einer Eihülle aus Speck und Zwiebeln war einer der Lieblinge auf dem Teller der Gäste. Warum Börsensteak? „Die Leute an der Börse haben wenig Zeit. Früher hat man Eier zur Vorspeise gegessen. Mit dem Börsensteak hat man einen Gang gespart“, sagt der Gastronom lachend.

 So präsentierte sich das Haus im Jahr 1911.

So präsentierte sich das Haus im Jahr 1911.

Foto: ja/privat

Was er zukünftig mit seiner freien Zeit macht, darüber hat er sich schon Gedanken gemacht. „Ich möchte mich mehr im Umweltschutz engagieren“, sagt der vierfache Vater und zweifache Großvater. Sozusagen als „Opa for Future“ wolle er sich für die nächste Generation stark machen. „Ich finde es erschreckend, wie wir heute wirtschaften. Das hat doch früher auch anders funktioniert.“ Als Beispiel nennt er die kurzen Wege von Lebensmitteln. „Als ich hier anfing, kam das Schnitzel von Onkel Fritz aus Keylaer.“ Er erinnert sich auch noch gut an die eigenen Schweine für die Hausschlachtung. „Ich kann mich als Kind an das Spanferkel erinnern, was meine Tante zubereitet hat.“ Seine Tante und seine Mutter Maria führten die Gaststätte und das Hotel nach dem frühen Tod seines Vaters Josef.

 Ein Foto vom Anfang des 20. Jahrhunderts: Das Bild stammt von 1902.

Ein Foto vom Anfang des 20. Jahrhunderts: Das Bild stammt von 1902.

Foto: ja/M. Voss

Davor war sein Großvater Anton, der Braumeister, Chef des Ganzen. Außerdem war er im Reitverein und den Schützen engagiert. Maria Voss wurde übrigens eine besondere Ehre zuteil. Sie wurde „Ehrendame“ der Antonius-Schützen. Die Urkunde hängt in den Räumen der Gaststätte. Daneben, am Eingang steht ein Klavier. Es lässt sich nicht mehr stimmen, hat der Klavierstimmer gesagt. Trotzdem ließ es sich der ein oder andere Gast nicht nehmen, darauf zu spielen.

 So kennen die Kevelaerer das traditionsreiche Gebäude.

So kennen die Kevelaerer das traditionsreiche Gebäude.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Die Räume atmen Geschichte. Sie boten Vereinen Platz und Pilgern eine Herberge. Nun bleibt es das Zuhause der Familie. Die Wohnräume sind über der Gastwirtschaft. Hubert Voss zeigt vom Gastraum nach oben. Er ist in dem Haus geboren.

 Erinnerung an alte Zeiten. Die historische Aufnahme zeigt, wie das „Weiße Kreuz“ von innen aussah.

Erinnerung an alte Zeiten. Die historische Aufnahme zeigt, wie das „Weiße Kreuz“ von innen aussah.

Foto: ja/privat

Nach der Ausbildung als Erzieherin ist seine Frau mit in den Familienbetrieb mit eingestiegen. Sie ist 59 Jahre, bis zur Rente geht sie in ihren ursprünglichen Beruf zurück. Das Paar wird noch auf viele Menschen treffen, die Erinnerungen teilen an die gemeinsame Zeit im Weißen Kreuz, Familienfeiern, gemütliche Abende. Das Haus am Kapellenplatz 21 ist Teil der Geschichte Kevelaers.

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