Kevelaer Wechselwähler stärken Piraten
Kevelaer · Sowohl CDU-, als auch SPD-Vertreter in Kevelaer und Weeze bekennen, dass sie die neue Kraft nicht unterschätzen dürfen. Sie fragen sich allerdings, woher der Erfolg kommt, wo doch der Sachverstand vielfach fehle.
Irgendwo müssen sie herkommen, die Stimmen, die den Piraten zu Gute kamen. Wenn sie nicht alle Erstwählern gehören, fehlen sie anderen Parteien. In Kevelaer gaben 8,27 Prozent der Wähler den Piraten und zugleich deren Kandidaten Ansgar Thüs ihre Stimme. Aus Weeze erhielt der Mann, der in dem Ort zu Hause ist, sogar 11,09 Prozent — bei den Zweitstimmen 10,17 Prozent.
Ebenfalls aus Weeze: NRW-Piratenchef Michele Marsching, der gestern schon im provisorischen Büro im Düsseldorfer Landtag war. "Ein überwältigendes Gefühl, das ist wie Weihnachten", beschrieb er seine ersten Eindrücke als Abgeordneter. Er und seine Partei hätten sich vorgenommen, "nicht nur reine Opposition" zu sein, sondern sich alle Vorschläge anzuschauen und, wenn möglich, Verbesserungen vorzuschlagen.
Dass die Piraten viele Wechselwähler auch von den etablierten Parteien auf ihre Seite ziehen konnten, habe ihn nicht überrascht. "Die Menschen fühlen sich nicht mehr vertreten, wenn ihnen Dinge versprochen werden, die dann aber nicht gemacht werden."
Die Vertreter der etablierten Parteien muss das beschäftigen — was sie auch mehr oder weniger offen zugeben. Alfons van Ooyen, SPD-Fraktionsvorsitzender von Weeze, ist grundsätzlich mit dem Ergebnis der Landtagswahl hochzufrieden. Seine Partei hat 31,68 Prozent der Zweitstimmen erreicht, nahezu identisch war die Unterstützung des Kandidaten Norbert Killewald. Ein gewisser Neid spricht aus van Ooyens Worten, als er feststellt, einen solchen Infostand, wie ihn die Piraten in Weeze vor einigen Tagen aufgestellt hätten, könnten sich die Sozialdemokraten nicht leisten. "Den hat wohl die Zentrale geschickt." An jenem Stand habe er Ansgar Thüs übrigens erstmals persönlich gesehen. Obwohl Weezer, scheine der "neue" politische Kollege im Ort bislang nicht sehr präsent — ebenso wenig wie Michele Marsching, der NRW-Vorsitzende der Piraten.
Nicht nur van Ooyen, auch CDU-Fraktionschef Guido Gleißner findet befremdlich, dass die Piraten freimütig einräumen, jetzt — nach der Wahl — nach Fachleuten Ausschau halten zu wollen. "Man sollte meinen, man würde für Sachverstand gewählt, und nicht für Slogans und gute Plakate", sagt Gleißner. Der CDU-Mann hat sich für seine Kommunalpolitik vorgenommen, Erfolge besser zu transportieren, so dass sie auch bei den Wählern ankommen. Eine große Sorge des Berufssoldaten mit viel Auslandserfahrung gilt dem Umstand, dass in Weeze nur 53 Prozent der Berechtigten zur Wahl gingen. "In anderen Ländern der Welt sterben Menschen für das Recht, überhaupt wählen zu dürfen!"
Thomas Selders, CDU-Chef in Kevelaer, ist noch ganz erschüttert vom Wahlausgang. In der Landesgeschäftsstelle der CDU in Düsseldorf habe er das Debakel miterlebt. "Wir können vor Ort wenig daran tun. Unser Wahlkampf war gut und engagiert, aber er hat nichts genutzt." Die Piraten hält er für eine Protestpartei und ist sicher, dass auch einige der CDU Nahestehende dort ihr Kreuzchen gemacht haben. "Das einzig Gute an dem Wahlausgang ist, dass die Linken nicht mehr im Parlament sind." KOMMENTAR