Kevelaer und die Wunschbriefe der Kinder Das Christkind im Rathaus

Kevelaer · Seit vielen Jahren schicken die Kinder ihre Wunschzettel nach Kevelaer an den Peter-Plümpe-Platz. „Schuld daran“ ist der Otto-Katalog.

 Sie gehen dem Christkind in Kevelaer zur Hand: Julian Binn und Andrea Kirk vom Büro für Kultur und Touristik.

Sie gehen dem Christkind in Kevelaer zur Hand: Julian Binn und Andrea Kirk vom Büro für Kultur und Touristik.

Foto: Norbert Prümen

Von wegen Engelskirchen oder Himmelspforten. In Kevelaer ist man sicher: Das Christkind wohnt im Rathaus am Peter-Plümpe-Platz. Denn seit fast 50 Jahren kennen Kinder die Adresse, wenn sie ihren Wunschzettel auf die Reise schicken oder ihn gleich direkt in den roten Briefkasten einwerfen. Dass sich das Christkind mitten in der Marienstadt niederließ, ist Martin Pauli zu verdanken. Der arbeitete damals im Kulturbüro der Stadt und fädelte ein, dass im dicken Ottokatalog ein Wunschzettel erschien, auf dem die Kinder ihre Wünsche an das Christkind nach Kevelaer schicken konnten. Über Nacht war Kevelaer bundesweit bekannt und ist es bis heute. Denn noch immer landen in der Adventszeit zahlreiche Wunschbriefe im Briefkasten am Peter-Plümpe-Platz.

Das Christkind „sitzt“ inzwischen gewissermaßen im Kultur- und Tourismusbüro. Andrea Kirk und Azubi Julian Binn bilden hier das Team, bei dem die Briefe auf dem Tisch landen. Etwa 600 waren es auch diesmal wieder. Jeder einzelne wird aufmerksam gelesen, jeder wird beantwortet. „Es ist schon viel Arbeit“, sagt Andrea Kirk, eine Arbeit freilich, die sie gerne macht. Denn immer wieder ist sie beeindruckt, wie viele Mühe und Kreativität die Kinder in ihre Wunschzettel stecken. Und oft genug gehen ihr die Briefe nahe. Denn dann geht es nicht um Geschenke, sondern um Sorgen und Ängste. „Wir nennen das die Sorgenbriefe. Das sind die Briefe, in denen Kinder ihre Probleme schildern, etwa von der Trennung der Eltern berichten oder dass sie traurig sind, weil der Opa gerade gestorben ist“, erläutert die 51-Jährige. Für die Antwort nehme sich das Team dann besonders viel Zeit. Hier wird dann auch nicht der Standardbrief geschickt, sondern man versucht, auf das Anliegen des Kindes ganz konkret einzugehen. „Wir schreiben dann beispielsweise: Denk daran, dass du nicht alleine bist.“ Wichtig sei, dass jeder auch wirklich eine Antwort bekommt.

Andrea Kirk beobachtet, dass es bei den Wunschzetteln einen Wandel gegeben hat. „Noch vor einigen Jahren gab es da viele abgehobene Wünsche wie Playstation oder teure Handys. Inzwischen geht es wieder mehr um klassisches Spielzeug wie einen Lego-Bauernhof oder die Playmobil-Polizeistation“, erzählt sie. Und ganz prägnant: Jeder zweite Brief dreht sich um Corona. „Die Kinder wünschen sich, dass Corona bald vorbei ist, dass sie ihre Freunde wiedersehen können. Ich habe den Eindruck, dass dadurch das Materielle in den Hintergrund rückt.“ Man spüre, dass die Kinder jetzt als Familie mehr zusammenrücken, die Gemeinschaft wichtiger werde.

Wegen Corona hat das Christkind-Team aus Kevelaer im vergangenen Jahr auch ein E-Mail-Postfach eingerichtet. „Weil manche im Lockdown ja nicht rauskonnten, um den Brief einzuwerfen.“ Doch dass ein Wunschzettel im digitalen Briefkasten landet, ist noch die Ausnahme. Aber auch die Mails sind schön gestaltet. Oft haben die Eltern bunte Briefe eingescannt oder abfotografiert. Die Antwort auf die Mails gibt es übrigens dann ganz klassisch: per echtem Brief.

Andrea Kirk hat beim Lesen vieler Briefe den Eindruck, dass sich die Kinder oft nicht sicher sind, ob es das Christkind tatsächlich gibt. „Aber ich denke mal, das spielt für die meisten auch gar keine Rolle. Man spürt, dass es ihnen Freude macht, diesen Brief zu schreiben und so auch ein bisschen ihr Herz auszuschütten.“

Es sind längst auch nicht nur Kinder, die ans Christkind in Kevelaer schreiben. Immer mehr Ältere schicken Post ins Rathaus. In diesen Briefen geht es dann meistens gar nicht um Wünsche. „Den Leuten liegt eher am Herzen, sich für etwas zu bedanken oder ihre Sorgen zu schildern.“

Auch das sind Briefe, die nahe gehen. Für Andrea Kirk steht daher fest. „Die Aktion hier wird weitergehen, ich will sie nicht missen.“ Das Christkind wird also noch länger im Rathaus bleiben.

Mit dem Einverständnis der Kirche übrigens. Mit der ist alles abgesprochen. Briefe an das Christkind sind okay, es sollte nur nicht der Weihnachtsmann sein.

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