Kevelaer Totenmesse als Stück über die Fülle des Lebens
Kevelaer · Die Musik ihrer neuen CD "Requiem" stellen Hansjörg Fink und Elmar Lehnen als Komponisten und Interpreten in der Kevelaerer Basilika vor. Sie boten ein interessantes und aufrührendes Kirchenkonzert.
Die "missa pro defunctis", die gregorianische Totenmesse, enthält neben den feststehenden üblichen Messteilen wie etwa dem "Kyrie" unter anderem den Introitus "Requiem aeternam dona eis Domine", die wohl bekannteste Sequenz "Dies irae", das "Lux aeterna" und das "Libera me".
Am Beginn der fast zweijährigen Arbeit von Hansjörg Fink und Elmar Lehnen für ihre CD "Requiem" stand die Auseinandersetzung der beiden Künstler mit der spirituellen Aussage dieser Texte über ewige Ruhe, letztes Gericht, ewiges Licht, die Bitte um Vergebung und das sichere Vertrauen in die Erlösung durch den Herrn. Dann begann die spannende musikalische Umsetzung: Da arbeiteten ein ausschließlich traditionell ausgebildeter Kirchenmusiker und ein eher dem Jazz zugeneigter Posaunist daran, jahrhundertealte, gregorianische Weisen, zumindest deren Kopfmotive, in einer gemeinsamen Komposition auszudeuten. Dabei stießen festgelegt, notiert Komponiertes und frei Improvisiertes nach klassischer und nach Jazzmanier aufeinander.
Auch das Zusammenspiel von Posaune und Kirchenorgel ist eher nicht geläufig. Beide Künstler können aus dem Fundus ihres umfassenden musiktheoretischen Wissens und instrumentalen Könnens schöpfen.
Sie verfolgen einerseits durchaus klassische Formprinzipien wie das Frage - Antwortspiel von Posaune und Orgel im Beginn des "Kyrie", lösen das aber auf in meditative Improvisationen über Orgelklangteppichen und gelangen dabei zu einer Art metallischem Jubelklang über tröstlich verschwimmender Ruhe. Sie nutzen nicht nur im Introitus "regelwidrige" Harmonie- und Tonfortschreitungen, um Aufwühlendes darzustellen. Oder auch Tempi, stampfend motorische Rhythmen, Akzentverschiebungen und Taktverschleierungen, wie sie etwa Strawinsky in seinem "Sacre du printemps" verwendet. Im "Pie Jesus", im "Benedictus" oder auch im "In paradisum" dagegen herrscht fast klassischer Wohlklang vor.
Beide holen alle Klangmöglichkeiten aus ihren Instrumenten heraus. Lehnen entfesselte beispielsweise im "Libera me" das volle Werk der großen romantischen Seifert - Orgel, für innigere Passagen dagegen benutzte er sogar Glockenspiel und Röhrenglocken. Fink spielte mit oder ohne Dämpfer wunderschöne, klassisch geformte Posaunentöne, aber er konnte auch Glissandi "schreien", konnte mit viel Zunge "growlen" und "bellen". "Wir wollten reine Musik schaffen. Für uns", sagte Elmar Lehnen im Gespräch nach dem Konzert auf der Orgelbühne, "und es sollte etwas Eigenständiges sein. Unser Stück."
Das ist gelungen. Mehr als das. Diese Ausdeutung der Totenmesse ist ein Stück über die Fülle des Lebens.