Kevelaer Soziale Gerechtigkeit - ist das möglich?

Kevelaer · Heute ist Welttag der sozialen Gerechtigkeit. Doch wie steht es um die Fairness in Kevelaer und Weeze? Was macht ein sozial gerechtes Leben aus? Sind Einkommen und Sozialausgaben angemessen verteilt? Die RP hat sich umgehört.

Eine Definition für "soziale Gerechtigkeit" zu finden, ist nicht leicht. Für den einen ist ein Dach über dem Kopf sozial gerecht, ein anderer sagt, die Reichen müssten mehr den Armen geben, und wieder andere sind glücklich, wenn jedem Menschen die gleichen Chancen und Möglichkeiten offenstehen. Für Beate Jussen, Geschäftsführerin des Petrusheims in Weeze, ist genau das ein wesentliches Kriterium: "Wenn alle Grundrechte für jeden erfüllt sind, Arbeit für alle möglich ist und Menschenrechte nicht mehr mit Füßen getreten werden."

Soziale Gerechtigkeit ist für Jussen daher eine Form von Teilhabegerechtigkeit. Dass so eine heile Welt auch ein Stück weit Utopie in sich birgt, weiß auch Anika Anhut, Mutter von drei Kindern und Schulpflegschaftsvorsitzende in Weeze. Sie wünscht sich mehr frühzeitige Hilfe: "In Kindergärten und Schulen erlebe ich es täglich, wenn Kinder auf Sprachbarrieren treffen." Hier müsse es früh die Möglichkeit geben, den Kindern zu helfen, damit sie sich künftig nicht weiter ausgrenzen. Die Situation in Weeze hält die 39-jährige Mutter trotzdem für angemessen. "Hier wird viel getan. Wir haben viele engagierte Vereine und Ehrenamtler. Das macht das Leben gerechter."

Die Menschen, die besonders unter einer Ausgrenzung leiden, sind Kinder sowie Arbeitslose und -suchende. Vor allem Letztere werden oftmals stigmatisiert. Keine Arbeit, keine Bildung, keine Chancen. Eine Teilhabe an der Gesellschaft ist ohne Geld nicht möglich. "Ich kann mir schwer vorstellen, dass es mal gleiche Chancen für alle geben wird", sagt Joachim Schneider. Er ist selbst "Hartz-IV-Opfer" und seit sieben Jahren als Sozialberater unterwegs. Vielen hilfebedürftigen Familien steht er mit Rat zur Seite. "Verwaltungen können menschenverachtend reagieren", sagt er und erinnert sich an einen heiklen Fall.

Im für Kevelaer und Weeze zuständigen Geschäftsstellenbezirk Goch der Agentur für Arbeit gab es im Januar knapp 4500 Menschen, die eine Arbeit suchten — 317 mehr als im Vorjahresmonat. Bei denjenigen, die eine Stelle haben, besteht rund 29 Prozent des Einkommens aus Renten und Transferzahlungen — 30 Prozent führt der Durchschnittsbürger an Steuern und Sozialbeiträgen ab. Der Anteil der Sozialabgaben ist umso höher, je geringer das Einkommen ist. Die Abgabenbelastung bei den zehn Prozent der Bevölkerung mit dem größten Einkommen geht sogar zurück.

"Ich gebe zu, ich bin sozial bevorzugt", sagt Max von Elverfeldt, Land- und Forstwirt — zudem Besitzer von Schloss Kalbeck. Dennoch glaubt er, dass die deutschen Sozialsysteme funktionieren. "Vielleicht nicht auf jeder kleinsten Ebene, aber im Grunde funktionieren sie."

(RP)
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