Kevelaer Schwarzarbeit-Kontrolle fast abgeschafft

Kevelaer · Eine Umstrukturierung in der Klever Zollverwaltung sorgt für frustrierte Mitarbeiter. Statt auf Baustellen und in Betrieben nach Betrügern zu suchen, ist jetzt Schreibtischarbeit gefragt. Ein Brief als Hilferuf an die Politik.

 Die Beamten des Zolls haben wegen Umstrukturierungen kaum noch die Möglichkeit und die Zeit, auf Baustellen die dort Arbeitenden zu überprüfen.

Die Beamten des Zolls haben wegen Umstrukturierungen kaum noch die Möglichkeit und die Zeit, auf Baustellen die dort Arbeitenden zu überprüfen.

Foto: Endermann

Der Brief an die Politik ist ein Hilferuf. Mitarbeiter des Zolls beklagen darin eine für sie mittlerweile unerträgliche Situation. Nachdem Strukturen durch die Zusammenlegung zweier Sachgebiete geändert wurden, werden nach Ansicht von Fahndern bedeutende Aufgaben des Zolls nicht mehr ausreichend wahrgenommen. Die ehemalige "Kontrolleinheit Prävention" gibt es nicht mehr. Die Suche nach Betrügern wurde nahezu abgeschafft. Schwarzarbeit, Leistungsbetrug, illegale Beschäftigung, Einhaltung Mindestlohn - alles Aufgaben der aufgelösten Einheit.

In dem der RP vorliegenden Schreiben an die Politik wird heftig kritisiert, dass diese Überprüfungen so gut wie nicht mehr stattfinden. In dem neuen Erlass des Bundesministeriums der Finanzen würden keine genauen Vorgaben gemacht. Mittlerweile könnten Führungskräfte vor Ort mit ihrem Personal jonglieren, heißt es in dem Brief.

Ein Grund für die nur noch selten stattfindenden Kontrollen sei, dass man jetzt hauptsächlich Büroarbeit erledige. Es sei nicht mehr gewollt, auf Baustellen zu fahren.

Durch veränderte Arbeitszeitregeln, so heißt es, würden Prüfungen etwa in den frühen Morgenstunden oder am Abend sowie an Feiertagen und Wochenenden eigentlich nicht mehr stattfinden. Schichtdienst wurde abgeschafft. Streifenwagen stünden still, wenn man kontrolliere, dann im Rahmen der üblichen Bürozeiten.

Eine mögliche Reaktion auf die geänderten Arbeitszeiten: Potenzielle Leistungsbetrüger müssten sich zunächst über den Dienstplan des Zolls informieren, um vor den lästigen Kontrollen sicher zu sein. Und nach den üblichen Bürozeiten kommt ohnehin niemand mehr.

In einem zweiten Schreiben haben sich die Betroffenen auch an die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, gewandt. Nachdem die SPD-Politikerin in einem Interview erklärt hatte, dass der Zoll mehr Prüfungsaufgaben wahrnehmen solle, schrieb man Nahles, dass Kontrollen keine Rolle mehr spielen würden und man Hinweise aus der Bevölkerung nicht mehr zeitnah nachgehen könne. Die Arbeit der Kontrolleinheit, zu der auch der Kampf gegen Schwarzarbeit gehörte, ist nach Ansicht der Beschäftigten abgeschafft.

Auch beim Bauindustrieverband NRW löst die offenbar abzusehende Reduzierung der Kontrollen wenig Begeisterung aus. "Wir garantieren Mindestlöhne zwischen 13 und 14 Euro, um die Qualität zu sichern. Durch Schwarzarbeit werden seriöse Unternehmen geschädigt", sagt ein Sprecher des Verbands. Aus seiner Sicht müsste nicht weniger, sondern eher mehr geprüft werden: "Gerade bei Mitbewerbern aus dem Ausland sehen wir den größten Kontrollbedarf." Für Betriebe, die sauber abrechnen, sei es von existenzieller Bedeutung, dass die Arbeiten auf Baustellen effektiv überwacht würden, so der Sprecher.

Frank Buckenhofer von der Gewerkschaft der Polizei, Bezirksgruppe Zoll, kann den Kollegen nur zustimmen. "Die Männer, die früher auf Streife gefahren sind, um unter anderem Schwarzarbeit zu kontrollieren, werden ausgebremst." Die Umsetzung des Erlasses werde bundesweit völlig unterschiedlich gehandhabt. Die Situation, so Buckenhofer, sei mit der eines Gemischtwarenladens zu vergleichen. "Jeder Regionalfürst macht, was er will. Einige Dienststellen kontrollieren noch regelmäßig, bei anderen wird darüber nachgedacht, die Streifenwagen zu verkaufen." Eine effektive Überprüfung des Anfang des Jahres eingeführten Mindestlohnes sei nicht möglich, so der Gewerkschafter.

Zielvorgaben im Bereich der Personenerfassung können aufgrund des geringeren Personals für die Kontrollen vor Ort nicht erfüllt werden. "Das führt dazu, dass man sich bei Prüfungen Betriebe aussucht, von denen man genau weiß, dass sie sauber arbeiten", sagt ein Beamter. Aufgriffe würden Arbeit machen, so dass die Vorgaben dann nicht erfüllt werden können.

Buckenhofer kann man mit dem Hinweis auf diese Arbeitsweise nicht schocken. "Alles schon da gewesen. Es hat sogar schon Kontrollen bei Behörden gegeben, die in der Regel selten Schwarzarbeiter beschäftigen." Diese Überprüfungen hätten nur den Sinn, eine hohe Zahl von Kontrollen vorweisen zu können, so der Gewerkschafter. Das Resümee von Buckenhofer fällt eindeutig aus: "Die Effektivität wird durch die bestehenden Strukturen enorm geschwächt." Schwarzarbeit dürfte somit einen großen Aufschwung erleben.

(RP)
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