Schulmensa in Kevelaer Ein ausgezeichnetes Menü

Kevelaer · In der Schulmensa werden junge Erwachsene mit besonderem Bedarf fit gemacht für den Arbeitsmarkt.

 Die Schüler bekommen in der Mensa ein leckeres Mittagessen.

Die Schüler bekommen in der Mensa ein leckeres Mittagessen.

Foto: ja/SOS-Kinderdorf e.V. / Mika Volkmann

Wenn ab 12.30 Uhr Hunderte von Schülern mit Rucksäcken und Taschen bepackt, die Mensa des Schulzentrums in Kevelaer stürmen, ist Mittagessenszeit. Sie können zwischen zwei Menüs wählen, sich an der Salatbar bedienen, die Nudel-Flatrate nutzen und zum Nachtisch Dessert und Obst wählen. Das Essen ist frisch gekocht, die Zutaten kommen aus der Region. Doch hinter dem Schulessen steckt noch viel mehr. Denn es wird von jungen Erwachsenen mit besonderen Bedarfen zubereitet.

Ob psychische Beeinträchtigungen, Lernschwierigkeiten oder andere Einschränkungen — jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen. Viele kommen in regulären Ausbildungsbetrieben nicht zu recht. Dort ist der Druck oft zu hoch, die Zeit zum Lernen zu knapp und die Begleitung nicht auf die besonderen Bedarfe der jungen Menschen mit Benachteiligungen abgestimmt.

 Peter Schönrock, Einrichtungsleiter SOS-Kinderdorf Niederrhein, schaut den Auszubildenden und Umschülern in die Kochtöpfe.

Peter Schönrock, Einrichtungsleiter SOS-Kinderdorf Niederrhein, schaut den Auszubildenden und Umschülern in die Kochtöpfe.

Foto: ja/: SOS-Kinderdorf e.V. / Mika Volkmann

„Hier in der Mensa zeigen wir behutsam und mit viel Geduld unseren Auszubildenden, Umschülern und Teilnehmenden der Berufsvorbereitung was in ihnen steckt“, so Peter Becker, Koch und Arbeitspädagoge in der Schulmensa in Kevelaer. Und Hauswirtschaftsmeisterin Heidi Korgel ergänzt: „Jeder, der bei uns ist, hat Beeinträchtigungen, die ihm bislang im Wege standen. Wir konzentrieren uns ganz bewusst auf die Stärken und Fähigkeiten, die jeder mitbringt. So helfen wir jedem Einzelnen, in seinem Tempo voranzukommen. Der eine ist stolz, wenn er den riesigen Berg an Kartoffeln geschält hat, der andere probiert sich zum ersten Mal daran, Gemüsesticks zu frittieren.“

Die jungen Erwachsenen werden in Küche oder Hauswirtschaft ausgebildet. Sie lernen wie der Küchenbetrieb aufgebaut und organisiert wird, wie man hygienische Standards beachtet, welche Lebensmittel wie zubereitet werden, probieren Rezepte aus und eignen sich den professionellen Umgang mit kleinen und großen Küchengeräten an. Sie kochen täglich bis zu 800 Essen. Die Abschlussprüfung legen sie je nach Ausbildungsgang vor der Landwirtschaftskammer oder der Industrie- und Handelskammer ab.

„Natürlich müssen wir die vorgegebenen Zeiten einhalten, schließlich wollen die Schüler nach dem Unterricht nicht auf ihr Essen warten“, sagt Koch und Arbeitspädagoge Thomas Wanders. „Und doch sind wir eben nicht nur Produktionsküche, sondern vor allem Lernküche. Damit können wir uns mehr Zeit nehmen und auch fünf- oder zehnmal erklären, wie Gemüse richtig geschält und geschnitten oder der Fisch sauber paniert wird“, so Wanders.

Mit der Bewältigung von Stress und Druck kennt sich auch Swenja Floeth gut aus. Sie ist in der Mensa als Psychologin aktiv und steht den jungen Erwachsenen mit Rat und Tat zur Seite. „Um später in der Gastronomie oder Hauswirtschaft arbeiten zu können, vermitteln wir nicht nur die fachlichen Voraussetzungen, sondern kümmern uns auch um den Umgang mit psychologischen Schwierigkeiten und stärken die eigene Persönlichkeit“, so Floeth. Bereichsleiter Wolfgang Brandt führt weiter aus: „Dazu arbeiten wir auch mit Fachstellen, wie dem Landschaftsverband Rheinland sowie der Sucht- oder Schuldnerberatung zusammen. Durch diese Zusammenarbeit und die ständige Begleitung durchs Team sind Rückschläge bei den jungen Erwachsenen sehr selten. Aber auch dann schreiten wir ein, geben Hilfestellung und finden gemeinsam Lösungen.“ Die besondere Ausbildung in der Mensa wird seit 2012 vom SOS-Kinderdorf Niederrhein angeboten. Der Sozialträger hat es sich in der beruflichen Bildung zur Aufgabe gemacht, für junge Erwachsene in benachteiligten Lebenslagen neue Perspektiven zu schaffen. „Heute am internationalen Tag der Menschen mit Behinderung sollten wir uns in Erinnerung rufen, was es für gelingende Inklusion braucht. Die Schulmensa in Kevelaer zeigt beispielhaft, dass wir Menschen mit besonderen Bedarfen fit machen können für den ersten Arbeitsmarkt. Dass sie eine echte Chance haben, wenn sie in einem wertschätzen Umfeld individuell und professionell begleitet und fachkundig ausgebildet werden. Unsere jungen Erwachsenen sehen jeden Tag ihre eigene Leistung, wenn die Schüler mit großem Appetit in der Schulmensa speisen. Das ist echte Anerkennung, die stark macht“, so Peter Schönrock, Einrichtungsleiter des SOS-Kinderdorfs Niederrhein.

Info unter www.sos-kinderdorf.de

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