Prozess Vergewaltiger mit zwei Gesichtern

Kevelaer · Ein 45-Jähriger steht vor dem Landgericht, weil er seine Ehefrau zweimal gefesselt und vergewaltigt hat. Die Frage ist, ob er unter Drogen stand. Die Taten gab er zu.

 In Moers wird der Prozess gegen den Kevelaerer verhandelt.

In Moers wird der Prozess gegen den Kevelaerer verhandelt.

Foto: dpa/Volker Hartmann

„Die Augen sind aufgerissen, voller Angst. ,Du musst mir helfen‘, ruft sie. Ich will zu ihr hin. Aber ich komme nicht an sie heran. Immer wenn ich näher komme, ist sie weg. ,Hilfe, Hilfe‘, ruft sie. Das Gesicht sieht komisch aus.“ Olaf Brauner* erzählte am Montag vor der auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers von seinen Albträumen, die klangen wie eine Beschreibung des Bildes „Der Schrei“ (1893) von Edvard Munch. Diese Albträume habe er, seitdem er seine Ehefrau am 6. Oktober und 11. Dezember 2019 in ihrem gemeinsamen Haus in Kamp-Lintfort vergewaltigt habe, erzählte der 45 Jahre alte Kevelaerer unter Tränen.

Dabei schien der gebürtige Dinslakener, der in Kevelaer aufwuchs und heute wieder dort lebt, eine Person mit zwei Gesichtern zu sein. Auf der einen Seite zeigte er sich vor dem Vorsitzenden Richter Johannes Huismann als jemand, der soziale Verantwortung übernimmt. Er erzählte, wie er auf dem Kardinal-von-Galen-Gymnasium Klassensprecher, Jahrgangsstufensprecher und Oberstufensprecher war. Er blickte auf seinen Zivildienst zurück, den er nach dem Fachabitur an der Höheren Handelsschule in Geldern „als überzeugter Pazifist“ in der ambulanten Pflege verbracht habe. Danach machte er sich mit einer Internet-Werbeagentur selbstständig, wechselte später zum Halbleiterhersteller Ruwel AG in Goch und Geldern, wo er sich zum stellvertretenden Werksleiter hocharbeitete. Er heiratete und hatte mit seiner ersten Ehefrau drei Kinder.

Auf der anderen Seite präsentierte er sich als jemand, der sich unter dem Einfluss von Drogen sexuell nicht mehr unter Kontrolle hat. In Essen, wo er eine Weiterbildung besuchte, vergewaltige er eine junge Frau, nachdem er mit ihr und einem Freund Marihuana geraucht hatte. Zu zwei Jahren und acht Monaten Freiheitsentzug wurde er im Frühjahr 2004 verurteilt. Während des offenen Vollzugs zerbrach seine erste Ehe.

Nach seiner Entlassung lernte er 2008 seine zweite große Liebe kennen, die er 2012 heiratete. Im Frühjahr 2019 sei er mit Kokain in Kontakt gekommen, wie er vor Gericht aussagte. Im Sommer 2019 habe er mit dem Koksen aufgehört, das Trinken angefangen. Er habe jeden Tag bis zu zwei Flaschen Whisky oder Rum getrunken. Außerdem habe er Amphetamine genommen. Das sei auch bei der Vergewaltigung am 6. Oktober so gewesen. „Eine eigene konkrete Erinnerung habe ich nicht“, äußerte sich der Angeklagte zur verminderten Schuldfähigkeit, in der er sich nach der Staatsanwaltschaft befunden haben soll. An die Vergewaltigung vom 11. Dezember konnte er sich erinnern. Er stellte sich der Polizei. In seiner Blutprobe befand sich kein Alkohol. Allerdings ließ sich der regelmäßige Konsum von Marihuana nachweisen.

*Name geändert

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