Kevelaer Pilgerweg in Richtung Heimat

Kevelaer · Fußwallfahrer setzen sich oft ferne Ziele: Rom, Lourdes, Santiago. Josef Sautmann (73) macht es genau andersherum. Seit einigen Jahren pilgert er quer durch Deutschland, Frankreich und die Niederlande – Ziel: Die Heimat Kevelaer.

 In diesem Jahr pilgert der 73-jährige Josef Sautmann vom niederländischen Maastricht auf dem Pieterpad in seine Heimatstadt Kevelaer.

In diesem Jahr pilgert der 73-jährige Josef Sautmann vom niederländischen Maastricht auf dem Pieterpad in seine Heimatstadt Kevelaer.

Foto: privat

Fußwallfahrer setzen sich oft ferne Ziele: Rom, Lourdes, Santiago. Josef Sautmann (73) macht es genau andersherum. Seit einigen Jahren pilgert er quer durch Deutschland, Frankreich und die Niederlande — Ziel: Die Heimat Kevelaer.

Als Josef Sautmann vor knapp zehn Jahren seine erste größere Pilgerreise antrat, war sein Rucksack rappelvoll und viel zu schwer. "Vier komplette Garnituren habe ich damals mitgeschleppt", erinnert sich der 73-jährige Friseur im Ruhestand. Inzwischen weiß er längst: "Sich selbst kann man auf der Reise nur entdecken, wenn man den materiellen Ballast Zuhause lässt." Dazu gehöre es auch, zwei Wochen auf Fernsehen und Zeitung zu verzichten und einfach mal abzuschalten.

Jedes Jahr geht Sautmann mit Freund Hans-Gerd Op de Hipt im Frühjahr auf Pilgerreise, 2012 von Maastricht nach Kevelaer. Mit dem Zug fahren die begeisterten Wanderer zum Ausgangspunkt, von da aus rund 350 Kilometer zu Fuß in vierzehn Tagen in die Heimatstadt. "Wer ein vertrautes Ziel hat, läuft mit einer höheren Motivation. Das schafft eine grundsätzliche Gelassenheit", sagt Sautmann.

Für den Ruheständler, der durch Vereinsarbeit, seinen Garten und den Männerchor täglich eingespannt ist, ist das Pilgern eine unverzichtbare Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen. "Die ersten zwei Tage unterwegs sind schwierig. Man spürt jeden kleinsten Schmerz und kommt an seine Grenzen." Doch der Körper stelle sich auf die Belastung ein. "Dann hat man den Kopf frei, kann sich auf sich selbst konzentrieren und auf die Menschen, die einem wichtig sind. Jeder Schritt wird zum Gebet."

Herrliche Landschaften hat Sautmann schon erwandert, letztlich seien diese aber nicht mehr als die Kulisse: "Entscheidend für einen guten Pilgerweg ist, dass auf 90 Prozent der Strecke Stille herrscht. Wenn man sich so in sich selbst vertieft, wird der Krach von Städten und Autobahnen zum Schmerz", meint Sautmann, den das Pilgern auch unter dem medizinischen Aspekt fasziniert: "Jeder Schritt ist eine kleine Fußreflexmassage, die sich auf den ganzen Körper überträgt und Gesundheit schafft." Dazu komme der Adrenalinabbau, der für Gelassenheit sorgt.

Eine weitere Faszination des Pilgerns ist die Begegnung. Wenn er von netten Gesprächen und hilfsbereiten Menschen erzählt, blüht der 73-Jährige auf. "Unterwegs trifft man mitten in Frankreich Radfahrer aus Nimwegen auf Sponsorenfahrt für ein Behindertenheim oder die nette Dame in der Eifel, die extra für uns ihr Gasthaus am Ruhetag öffnet."

Gesichter, die Sautmann auch nach Jahren noch vertraut sind. "Wer auf Pilger trifft, ist beeindruckt und hat Interesse, so entstehen interessante Gespräche im Hotel oder am Wegesrand."

Auf seiner Fastenwanderroute über die Dörfer legt der Katholik an jeder Kirche einen Zwischenstopp ein. "Dann werden kleine Kerzen für vertraute Personen angezündet — so entsteht eine Lichterketten an Gedanken."

(riem)
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