Scooter-Konzert auf dem Parookaville Der Pate des Deutschen Techno gibt sich die Ehre

Weeze · Seit fast 30 Jahren steht H.P. Baxxter mit der Band Scooter auf der Bühne. Von seiner Energie hat der Blondschopf über die Jahre kein bisschen eingebüßt. Vom ersten Lied an wirft er dem Publikum in Weeze alles entgegen, was er hat.

Parookaville 2022: So bombastisch war das Festival - Fotos
31 Bilder

So bombastisch war Parookaville 2022

31 Bilder
Foto: Julian Huke

Das letzte Lied ist schon längst verstummt, aber H. P. Baxxter macht einfach immer weiter. Mit ausgebreiteten Armen steht er vor dem Publikum, ruft den Menschen zu: „We don't care what time it is cause we ain't going home“ (Es ist uns egal, wie spät es ist, weil wir nicht nach Hause gehen). Zehntausende Zuhörer vor der Bühne des Parookaville-Festivals antworten im Chor. Immer wieder werden die Worte wiederholt, sie sind Baxxters Mantra.

Der Mann mit den wasserstoffblonden Haaren ist inzwischen 58, steht seit fast 30 Jahren mit seiner Band Scooter auf der Bühne. Trotzdem scheint seine Energie und die Lust Massen an Menschen mitzureißen ungebrochen. Nur wenn man genau hinsieht, wirkt er nach dem über einstündigen Konzert doch etwas müde. Aber wer wäre das nicht.

Vom ersten Lied an wirft Baxxter dem Publikum alles entgegen, was er hat: Seine Hände pumpen unablässig den Bass in Richtung der Zuhörer als wäre er persönlich dafür zuständig, dass die Schallwellen auch ankommen. Er springt von einem Bein aufs andere, wechselt ständig die Position auf der Bühne.

Und dann ist da noch sein Markenzeichen: Die Stimme. So durchdringend und druckvoll, dass sie gefühlt Tote dazu überreden könnte, doch noch einmal aufzustehen und zu Scooters Musik zu tanzen. Meistens übertönt Baxxter die auf Anschlag aus den Boxen knallende Musik mühelos. Was er sagt, ist allerdings egal. Der Sänger fragt „How much is the fish?“ (Wie viel kostet der Fisch), aber bis heute gibt es darauf keine Antwort. Er wird nicht müde zu betonen wie wichtig ihm der „Hardcore“ und laute Musik generell ist.

Mit Inbrunst setzt Baxxter der Rave-Kultur wieder und wieder ein Denkmal, wagt sich kaum in die Welt außerhalb greller Stroboskop-Lichter und dröhnender Bässe vor. Das kann man als eintönig oder stumpf kritisieren, gleichzeitig ist es gnadenlos effektiv: Jeder kann die Texte sofort mitgröhlen. Die Sinnentleertheit macht ihren Wiedererkennungswert aus. Einmal gehört, fressen sich die Zeilen ins Langzeitgedächtnis. Das gilt umso mehr für die Melodien von Scooter. Fast jedes Lied bedient sich eingängiger Mitsingpassagen, die vom Publikum an diesem Abend aus voller Kehle in Richtung des Weezer Nachthimmels geschrien werden. Das kollektive Erlebnis sorgt mehr als einmal für Gänsehautmomente.

Das Scooter schon lange im Geschäft ist, merkt man schon zu Beginn der Show. Düster schallt den Parookaville-Besuchern das Orgelstück „Toccata d-Moll“ von Johann Sebastian Bach entgegen. Der stimmungsvolle Einstieg zieht einen Spannungsbogen, macht unwillkürlich Lust auf das Konzert. „Wir sind zurück“ flackert über die riesigen LED-Leinwände. Im schnelllebigen Musikbusiness hat sich die Band bis heute gehalten. Vom ersten Lied an („In Rave We Trust“) zeigt sie warum: Warme Synthesizer-Klangteppiche und konsequent harte Beats machen jedes Stück zu einer musikalischen Achterbahnfahrt, die den Puls nach oben treibt, aber gleichzeitig Raum lässt, um durchzuatmen.

Wie auf textlicher Ebene sind alle Klangelemente auf das Nötigste reduziert. Jeder Zuhörer soll sofort verstehen, worum es geht. Es gibt keine Überraschungen, keine künstlerischen Schnörkel. Das Fundament ist der stoisch stampfende Bass, der die Richtung vorgibt: Bei einem Scooter-Konzert geht es immer nach vorne, für Melancholie oder Nachdenklichkeit ist kein Platz. Es ist schließlich eine Party.

Auch die Lichtshow ist im Vergleich zu vielen anderen Auftritten beim Parookaville eher zurückhaltend. Überdimensionale Bühnen mit hochmoderner Technik, wie sie auf dem Festival aufgebaut sind, gab es in den 90er-Jahren noch nicht. Scooter bleibt sich auch hier treu, lässt nur gelegentlich Flammen in die Luft steigen oder zündet ein Feuerwerk. Dafür bewegen sich auf der Bühne leicht bekleidete Tänzerinnen zur Musik. Ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten, das heute etwas fehl am Platz wirkt.

 Scooter trat bei Parookaville auf der Bühne Bill's Factory auf.

Scooter trat bei Parookaville auf der Bühne Bill's Factory auf.

Foto: Christoph Wegener

Übel kann man das der Band aber nicht nehmen. Alle anderen Aspekte ihrer Show sind erstaunlich gut gealtert, allen voran H. P. Baxxter selbst. Als er die Bühne verlässt, sieht man ein breites Lächeln auf seinem Gesicht. Der Mann lebt für die Musik, zieht aus ihr und dem Publikum ein beeindruckendes Maß an Energie. Kein Wunder, dass er einfach nicht aufhören will.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort