Kevelaer Oktoberfest verdrängt hiesige Bräuche

Kevelaer · Die Schieß-Sport-Gemeinschaft Kevelaer feiert zum dritten Mal das bayrische Spektakel. Das Weezer Gastwirt-Ehepaar Hünnekens hatte das Fest der Münchener bereits vor 40 Jahren entdeckt. Gehen dadurch heimische Bräuche verloren?

 Trachten, Bier und Geselligkeit: Auch in Straelen gibt es schon jedes Jahr ein Oktoberfest.

Trachten, Bier und Geselligkeit: Auch in Straelen gibt es schon jedes Jahr ein Oktoberfest.

Am 28. September wird Lambert Janshen ein Kleidungsstück aus seinem Schrank greifen, was nur einmal im Jahr ans Tageslicht kommt. "Ja klar, ziehe ich dann eine Lederhose an. Ich kann es nicht verantworten, das nicht zu machen", sagt der Vorsitzenden des Fördervereins der Schieß-Sport-Gemeinschaft (SSG) Kevelaer.

In drei Wochen geht es für ihn zum vereinseigenen Oktoberfest. Vor drei Jahren gab es das erste. "Wir waren schon ein bisschen erstaunt über die positive Resonanz", gibt er zu. Denn eigentlich kommt das Fest aus München. Vor über 200 Jahren diente das Oktoberfest dazu, eingelagertes Märzenbier aus der Bevorratung aufzubrauchen.

"Natürlich ist es hier nicht heimisch", erklärt Gerd Halmanns, Vorsitzender vom Historischen Verein für Geldern und Umgegend. Er spricht von einer Modeerscheinung. "Ich denke, es ist auch der Einfluss der Medien, dass die Menschen sehen, was es woanders in der Welt gibt", sagt Halmanns über das geänderte Feierverhalten der Niederrheiner. "Wenn man es historisch sieht, ist die Trinkkultur einem ständigen Wandel unterlegen." Wurde zur Zeiten der Großeltern vor allem Schnaps in der Gemeinschaft getrunken, kam später das Exportbier, dann das Alt.

Aber es ist ja nicht nur das Getränk, was das Oktoberfest bestimmt, sondern auch die Art sich, zu "verkleiden". Lange Zeit habe es vielleicht auch etwas Exotisches gehabt, wenn der Niederrheiner sich in Lederhose oder Dirndl geschmissen hat, um eine Maß Bier zu genießen.

Die Zeiten haben sich geändert. "Wenn Sie zu einem Oktoberfest ohne Dirndl oder Lederhose gehen, kommen Sie sich schon komisch vor", sagt Astrid Biesemann. Sie muss es wissen. Sie ist Inhaberin von Landhausmoden in Kevelaer an der Busmannstraße. Die typgerechte Trachtenberatung ist ihr Tagesgeschäft. In diesem Jahr wird es sogar erstmals einen "Style Day" geben, gemeinsam mit dem Frisurenstudio "h-room No 17". Am Samstag von 14 bis 18 Uhr gibt es Beratung von der passenden Frisur bis zur gut sitzenden "Krachledernden" oder eben dem Dirndl. "Vielleicht hat die Sehnsucht nach dem Traditionellen auch damit zu tun, dass wir in einer so schnelllebigen Zeit leben", mutmaßt die Geschäftsfrau. "Vielleicht hat es aber auch damit zu tun, dass die Frau im Dirndl einfach nett ausschaut und die Burschen in Lederhosen männlicher."

In Weeze hat es vor drei, vier Jahren einmal den Versuch eines Oktoberfests gegeben, sagt Johannes Masseling, Vorsitzender vom Heimat- und Verkehrsverein. Dafür haben die Weezer erfolgreich ein Weinfest importiert. "Auch wenn Weeze kein typisches Weinanbaugebiet ist", gibt Khalid Rashid von der Gemeinde Weeze lachend zu. "Das Oktoberfest ist aber noch nicht in Weeze angekommen", sagt Masseling.

Oder es hatte seine beste Zeit schon gehabt, vor etwa 40 Jahren. "Wir haben das Oktoberfest aufblühen lassen", erinnert sich Franz Hünnekens. Mit seiner Frau Wilma war er von 1972 bis 1993 Wirt von der Gaststätte Alt-Weeze. Mit 250 bis 400 Leuten wurde im Saal gefeiert und geschunkelt. Aufgespielt hat der örtliche Musikverein. "Humpa-Musik nannten das die Engländer", sagt Hünnekens. Die waren schwer angetan von der bayrischen Feier. Gefeiert wurde jeweils freitags und samstags, im Oktober und bis in den November rein. "Weil wir sonst gar nicht genug freie Termine im Terminkalender gehabt hätten", sagt der Gastronom. Das sprach sich weiter rum, so dass auch runde Geburtstage bei Brezel und Radi gefeiert wurden.

"Aber in der urwüchsigen Art gibt es die Oktoberfeste heute nicht mehr", lautet seine Einschätzung. Außer in München. Da war Hünnekens auch schon dabei. "Selbstverständlich, das muss man mal gesehen haben", sagt der Weezer. "Einmal da gewesen, vergisst man es nicht."

Mit Kevelaer geht ein "kleines, aber feines Oktoberfest", so SSG-Mann Janshen, an den Start. Auf die Frage, ob es nicht auch ein niederrheinisches Bierfest geben könne, sagt der Vorsitzende: "Es ist die Frage, ob es diese Resonanz gefunden hätte. Aber wir denken auch gerne darüber nach."

Das wird Gerd Halmanns vom Historischen Verein für Geldern und Umgegend freuen. Denn ein bisschen Wehmut packt ihn dann doch, wenn er von den Fest-Importen hört. "Ich glaube schon, dass dadurch Traditionen wegbrechen." Als Beispiel nennt er das Erntedankfest, das am linken Niederrhein nicht mehr so groß gefeiert wird, wie früher.

(bimo)
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