Kevelaer Monatelang warten auf Facharzttermin

Kevelaer · Rainer Ise hat nun zum wiederholten mal die Erfahrung gemacht: Auf der Suche nach einem Neurologen wird er überall vertröstet. Die Praxen sind hoffnungslos überlaufen. Dabei gibt es angeblich genügend Spezialisten im Kreis.

Rainer Ise aus Geldern ist Kassenpatient und brauchte einen Termin beim Neurologen. Damit fing für ihn - und zwar nicht zum ersten Mal - das große Klinkenputzen an. Man stoße, schlussfolgert er, "im Kreis Kleve schnell an die Grenzen des Gesundheitssystems".

Rainer Ise ist Diabetiker. Durch die Krankheit können Nerven geschädigt werden. Deshalb war die Untersuchung nötig, Ise bekam die Überweisung zum Facharzt.

Beim Medizinischen Versorgungszentrum Gelderland erfuhr er, dass keine Patienten angenommen würden und auch nicht klar sei, wann das wieder möglich sei. Im "Centrum für Neurotherapie und Schmertherapie" in Kalkar habe man ihn gebeten, sich anderswo umzusehen, aber immerhin: Falls er nicht fündig werde, würde man versuchen, ihm in in drei bis vier Monaten einen Termin anzubieten. In der Praxis von Ronald Gommann hieß es, dass man nur Patienten aus Goch, Weeze oder Kevelaer annehmen könne. Eine weitere Praxis lehnte Kassenpatienten ab. Am Ende bekam Rainer Ise durch Glück einen Platz in Kleve, auf den er "nur" sechs Wochen warten musste. "Da muss wohl einer abgesagt haben", so Ise.

Der Gelderner ist mit seinen Erfahrungen nicht etwa ein besonderer Pechvogel: Die Praxen sind offenbar einfach komplett überlastet. "Die Wartezeiten für neue Patienten lieben bei mindestens drei bis vier Monaten", sagt Stefanie Hamm, Sprecherin des Gelderner Versorgungszentrums. Ab und an gebe es Aufnahmestopps. "Hintergrund ist einfach das hohe Patientenaufkommen", so Hamm. Ein Umstand, unter dem nicht nur die Hilfesuchenden leiden: "Die Ärzte hier arbeiten weit über die üblichen Praxiszeiten hinaus." Die Gocher Praxis hat schon bei dem Einzugsbereich, auf den sie sich beschränkt, zu viele Patienten: "Eigentlich sind wir schon überlaufen", heißt es. Und in Kalkar weist man auf die Möglichkeit hin, sich vom Hausarzt eine "Notfallüberweisung" ausstellen zu lassen.

Was in der Praxis der Fall ist, das dürfte theoretisch überhaupt nicht sein. Denn: Auf dem Papier gibt es im ganzen Kreis Kleve generell genügend Fachärzte. "Rechnerisch haben wir ausreichend Neurologen", heißt es in der Klever Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung. "Dass die Situation sich tatsächlich oft anders darstellt, sehen wir aber auch bei Kinderärzten und Orthopäden." Christopher Schneider, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, untermauert das Bild mit Zahlen. Es gebe 11,3 besetzte kassenärztliche Stellen für Neurologen im Bereich Kleve. Das ergebe einen "Versorgungsgrad" von 114 Prozent. "Wenn man diese Kriterien zugrundelegt, ist das im Kreis Kleve im fachärztlichen Bereich zahlenmäßig eine gute Versorgung. Aber wegen unterschiedlicher Faktoren sieht es in den Wartezimmern anders aus", so Schneider.

So ist die Bedarfsplanung, die für die Regionen, gemessen an der Einwohnerzahl, eine bestimmte Zahl an Ärzten festschreibt, aus dem Jahr 1993. "Der Versorgungsbedarf der Bevölkerung hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert", sagt Schneider. Man hoffe, dass im kommenden Jahr neue Werte festgelegt würden. Anders als bei den Fachärzten sieht es übrigens auch nach der Bedarfsplanung bei den Hausärzten aus: Davon gibt es auch rechnerisch zu wenige.

Patienten, die einen Facharzttermin brauchen, können sich an die "Terminservicestelle" der Kassenärztlichen Vereinigung wenden. Sie ist erreichbar unter Telefon 0211 5970 8990. Häufig helfen auch Krankenversicherungen.

(RP)
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