Martin Tiemann aus Kevelaer Schäfer aus Leidenschaft

WEEZE/UEDEM · Martin Tiemann führt mit seiner Familie neben dem Beruf als Soldat eine Landschäferei. Dort sorgt er mit seiner Zucht dafür, dass vom Aussterben bedrohte Rassen weiter fortbestehen können.

 Katrin Tiemann hält eines der jungen Lämmer in die Luft.

Katrin Tiemann hält eines der jungen Lämmer in die Luft.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Martin Tiemann hat derzeit ein straffes Programm. Es ist nämlich Lammzeit. „Das ist für mich die schönste Zeit des Jahres, auch wenn sie sehr anstrengend ist”, sagt Tiemann. Der 47-Jährige betreibt seit fünf Jahren eine Landschäferei – neben seinem Beruf als Soldat. Nahezu jede freie Minute ist er bei den Tieren. Trotzdem ist er auf die Hilfe seiner Frau Anja und den Töchtern Katrin und Lisa angewiesen und freut sich über die Unterstützung: „Alle packen mit an, wir sind ein echter Familienbetrieb.”

Vier verschiedene Rassen züchten die Tiemanns auf ihrem Hof. Angefangen hat alles mit ein paar „Kamerunschafen”. Wie die Tiere irgendwann nach Europa gelangten, ist nicht geklärt. „Eine Vermutung ist, dass die Schafe damals als Futterproviant für Raubkatzen vorgesehen waren, die von Afrika aus in die Tierparks nach Europa verschifft wurden”, sagt der Schäfer. Das war vor fünf Jahren. Inzwischen sind die Kapazitäten der Tiemanns beinahe ausgeschöpft. Neben den Kamerunschafen züchten sie auf ihrem Anwesen die Rassen „Bentheimer Landschafe”, „Coburger Fuchsschafe” und „Ostpreußische Skudden” – alles Schafrassen, die auf der roten Liste der GEH (Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e. V.) stehen und deren Fortbestand als gefährdet gilt.

Deshalb ist die Arbeit, die Tiemann mit seiner Familie leistet, besonders wertvoll. Durch die Zucht setzt er sich schließlich mit dafür ein, dass die bedrohten Rassen weiter fortbestehen. Und wegen der akuten Situation unterliegt die Zucht strengen Richtlinien. Jedes Tier muss ordnungsgemäß in das sogenannte „Herdbuch” eingetragen werden – mit allen relevanten Daten. Denn nur mit gültigen Papieren kann ein Schaf auf einer Auktion angeboten werden, und nur mit gültigen Papieren können die Tiemanns Zuschüsse für die Zucht der bedrohten Tiere beantragen. Das Organisatorische nimmt viel Zeit im Alltag ein. „Das macht schon so 30 bis 40 % der Arbeit aus”, erklärt Martin Tiemann.

 Katrin Tiemann und Martin Tiemann besuchen die Herden im Außenbereich

Katrin Tiemann und Martin Tiemann besuchen die Herden im Außenbereich

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Um die genetische Vielfalt zu gewährleisten, müssen die Böcke alle zwei Jahre ausgetauscht werden. „Zucht heißt auch Selektion”, erklärt Tiemann. Und bei der Selektion werde nicht nur auf den genetischen Code geachtet, sondern unter anderem auch auf die Fleckung des Fells, auf die Stellung der Hufe und auf die Robustheit der Tiere. Denn nur mit perfekten Schafen lässt sich letzten Endes Geld verdienen – und das ist schließlich auch das Ziel des Schäfers.

Seine Leidenschaft für die Schafzucht entwickelte sich über den Umweg Forstwirtschaft. Er habe mit Weidepfählen die Schafwiesen eingezäunt, sagt Tiemann. Dann sei nach und nach das Interesse gewachsen. Dass die Haltung und Zucht von Schafen auch einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben, sei für ihn ebenfalls ein wichtiger Punkt. Die natürliche Beweidung durch Schafe in der Landschaftspflege vermindert nicht nur die Parasitenbelastung einer Wiese, sondern vermeidet gleichzeitig die Bodenverdichtung durch schwere Maschinen. „Auch in der Deichpflege sind viele Schafe im Einsatz”, erläutert Tiemann. Durch ihren tiefen Biss hielten die Schafe die Grasnarbe kurz. Zudem haben die Schafe den „goldenen Tritt”. Durch ihre Tritte verfestige sich die Grasnarbe weiter und Löcher von Maulwürfen und Wühlmäusen im Deich würden wieder zugetreten.

 Die Muttertiere kommen mit ihren Lämmern in den Stall.

Die Muttertiere kommen mit ihren Lämmern in den Stall.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Die Tiemanns halten ihre Schafe in der Regel draußen auf einer der vielen Weiden im Umkreis, die die Tiere kurz halten sollen. Eine Ausnahme bildet allerdings die Lammzeit. „Dann versuchen wir, die Muttertiere etwa vier Wochen vor der geplanten Geburt in den Stall zu holen. Dort können wir sie dann gezielt füttern und uns intensiver um sie kümmern”, sagt Martin Tiemann. 160 bis 180 Lämmer erwartet er in der aktuellen Periode. Das heißt auch, dass viel Arbeit auf Tiemann und seine Familie zukommt. Doch das nehmen alle gerne in Kauf, schließlich ist die Lammzeit die schönste Zeit des Jahres.

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