Kevelaer Geschmackssache: Papst zum Lutschen

KEVELAER · 1987 gab es so etwas wie einen mittelschweren Skandal in Kevelaer. Zum Besuch von Papst Johannes Paul II. verkaufte Rolf Reinhardt Lutscher mit dem Konterfei des Heiligen Vaters. Er erinnert sich noch gut an die Debatten.

 Rolf Reinhardt sorgte 1987 für viel Aufsehen mit seinen Papst-Lollis.

Rolf Reinhardt sorgte 1987 für viel Aufsehen mit seinen Papst-Lollis.

Foto: Latzel/Reinhardt/Repro Latzel

Sogar die Protestanten waren empört: „Ihre götzendienliche Geschäftemacherei widert uns gewaltig an! Schämen Sie sich“, steht auf einer Postkarte, die Rolf Reinhardt aufgehoben hat. Unterschrieben ist die Karte mit „3 Hannoveraner Protestanten“. Reinhardt muss grinsen. „Es ist damals hoch hergegangen“, sagt der 83-Jährige, der einen dicken Ordner mit Erinnerungsstücken und Fotos zum Papstlolli angelegt hat. Einige Seiten weiter findet sich ein Leserbrief, der ganz anderer Meinung als die Protestanten ist. Geschmacklos kann der Schreiber der Zeilen die Papstlollis nicht finden. „Es gibt sie in den Geschmacksrichtungen Orange, Zitrone, Himbeer und Brombeer.“

Nur zwei von zahlreichen Reaktionen auf die Idee von Rolf Reinhardt, 1987 zum Papstbesuch einen Lolli mit dem Konterfei des Heiligen Vaters anzubieten. Entstanden war die ganze Sache eher zufällig. Auf einer Süßwarenmesse hatte Reinhard einen Mann kennengelernt, der ihm Lollis mit dem Bild des Papstes anbot. Die waren zum Besuch in Frankreich produziert worden, aber nicht weggegangen. Der Preis war Reinhardt allerdings zu hoch. Er dachte sich: Die Idee ist gut, die Lutscher kann ich aber selber günstiger produzieren.

 Alexander Reinhardt mit zwei Papstlollies, die er extra noch einmal für die RP rekonstruiert hat.

Alexander Reinhardt mit zwei Papstlollies, die er extra noch einmal für die RP rekonstruiert hat.

Foto: Latzel

So kam er auf die Idee, selbst Lutscher mit dem Papst auf den Markt zu bringen. Um ein Foto zu bekommen, rief Reinhard bei der Vatikanzeitung L‘Osservatore Romano an. Dort hatte man zwar kein Bild zur Verfügung, aber man erinnerte sich, dass irgendwo noch Tausende Fehldrucke einer Broschüre zum Papstbesuch lagerten. Darin befand sich auch ein Foto des Heiligen Vaters. „Wie viele brauchen Sie denn?“, war die Frage. „20.000 Stück“ lautete die Antwort von Reinhardt. Heute kaum zu glauben: In einer Druckerei in Kevelaer ließ Reinhardt die Papstfotos ausstanzen. Das Bild kam auf einen Lollie in Folie, dann wieder Folie drum: Fertig war der Papstlutscher.

 Diverse Fernsehteams waren bei Rolf Reinhardt (m.). Hier wird gerade am Museum gedreht.

Diverse Fernsehteams waren bei Rolf Reinhardt (m.). Hier wird gerade am Museum gedreht.

Foto: Latzel/Reinhardt/Repro Latzel

Der war in den Geschäften in der Busmannstraße und der Hauptstraße auch zunächst gar nicht so gefragt. Das habe sich erst geändert als der damalige Vorsitzende des Verkehrsvereins darauf aufmerksam wurde. „Der hat dagegen gewettert, gesagt, das wäre geschmacklos und wollte per einstweiliger Verfügung den Verkauf des Lutschers verbieten“, berichtet Reinhard. Doch damit war eine Lawine losgetreten. Die Medien stürzten sich auf den Mann mit dem Papstlutscher. Bildzeitung, Bunte, sogar die Bravo und die New York Times brachten Berichte über die Sache. Eine richtige Lolli-Hysterie brach in der Marienstadt rund um den Papstbesuch aus. Alle wollten plötzlich den Lutscher haben. Aus aller Welt kamen Anfragen, fast täglich hatte Reinhardt Kamerateams im Haus. Immer wieder musste er berichten, wie die Menschen auf den Lolli reagieren. Ein niederländischer Priester habe vor dem Schaufenster Tränen gelacht. Ein älteres Ehepaar sei dagegen erbost mit den Worten „Hier kaufen wir nichts“ davongegangen. Eine Dame habe extra einen Lutscher gekauft, um ihren Schwager zu ärgern, der jeden Sonntag in die Kirche ging.

Der WDR brachte sogar eine große Sondersendung, in der Rolf Reinhardts Sohn gefragt wurde, warum denn ein Papst-Lolli 4 Mark koste und ein ähnliches Modell ohne Papstbild nur 1,75 Mark. „Es war schon immer etwas teurer einen guten Geschmack zu haben“, lautete die schlagfertige Antwort.

Ob der Papst selbst den Lutscher probiert hat, weiß Rolf Reinhardt nicht. Eines Tages stand ein Vertreter des Vatikans in seinem Laden. Reinhardt dachte: „Jetzt gibt es Ärger.“ Aber der Mann, der sich als Adjutant des Papstes vorstellte, wollte nur ein paar Lutscher. Reinhardt schenkte ihm gleich eine ganze Kiste für den Vatikan. Wer weiß: Vielleicht hat der Papst doch noch gekostet.

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