Kevelaer Kneipensterben in Twisteden

Kevelaer · Fünf Gaststätten reihten sich an der Dorfstraße mal aneinander. Das ist Vergangenheit. Zwei ehemalige Kneipen wurden abgerissen. Wirtin Angelika Braun hält noch die Stellung.

 Twistedens Ortsvorsteher Josef Kobsch hat hinter dem Haus einen eigenen Biergarten geschaffen.

Twistedens Ortsvorsteher Josef Kobsch hat hinter dem Haus einen eigenen Biergarten geschaffen.

Foto: bimo

Ortsvorsteher Josef Kobsch hat es sich im Grünen hinter seinem Haus in Twisteden gemütlich gemacht. Ein schattiges Plätzchen hat er sich da ausgesucht. An einem der Bäume hängt ein blau-weißes Schild, "Josefs Biergarten" steht da drauf.

Einerseits ein Grund zum Schmunzeln, die Idee mit dem hauseigenen Biergarten, andererseits ein Grund, die Stirn zu runzeln. Denn vielleicht wird das demnächst die einzige Alternative der Twistedener sein: der private Biergarten hinterm Haus. Denn von fünf Kneipen ist nur noch eine da. Fuhr man früher durch den Ort, reihten sich die Kneipen wie Perlen an einer Schnur. Aktuell wird auf zwei Grundstücken ehemaliger Gaststätten neuer Wohnraum geschaffen. Den Dorfkrug und das Kastanien-Eck gibt es nicht mehr.

 Der ehemalige Dorfkrug wurde bereits dem Erdboden gleich gemacht. Auf dem Gelände sollen Wohnungen entstehen.

Der ehemalige Dorfkrug wurde bereits dem Erdboden gleich gemacht. Auf dem Gelände sollen Wohnungen entstehen.

Foto: bimo

Kobsch erinnert sich an die Vergangenheit. "Den Dorfkrug gab es solange ich denken kann." Mit seinem Vater ist er dort als Kind zum sonntäglichen Frühschoppen eingekehrt und bekam ein Malzbier. "Irgendwann ging man nicht mehr mit dem Vater, sondern mit den Kumpeln", sagt der Ortsvorsteher. Die andere Kneipe, das Kastanien-Eck am Ende der Dorfstraße, kurz vor dem Kreisverkehr, der zum Irrland führt, bezeichnet Kobsch als ortsprägend, auch wegen der drei großen, schönen Kastanien, die dort standen. Zuletzt war eine Pizzeria im Gebäude.

Nun entstehen dort acht Eigentumswohnungen unter der Regie von Alfred Maubach und seiner Tochter Nadja. "Altengerecht, barrierefrei, mit Aufzug", zählt Alfred Maubach auf, was geplant ist. Ende nächsten Jahres soll der Bau bezugsfertig sein.

Genauso sieht auch der Zeitplan von Familie Neumann aus. Auf dem Grundstück des ehemaligen Dorfkrugs entstehen acht altengerechte Mietwohnungen. Einen Aufzug wird es auch geben. "Über 50 Prozent der Wohnungen sind schon vermietet", sagt Werner Neumann. Der Bedarf sei einfach da.

Das bestätigt auch Ortsvorsteher Kobsch. Der Wunsch nach Wohnungen in Twisteden ist einfach groß. Und zwar nicht etwa von Auswärtigen, sondern von "eigenen Leuten", also etwa den Kindern der Twistedener, die im Dorf aufgewachsen sind, dort bleiben und ihre eigene Familie gründen wollen. "Für uns ist das wichtig, damit auch der Kindergarten und die Schule erhalten bleiben", sagt der Ortsvorsteher.

Die Twistedener nehmen den Kneipenschwund aber nicht emotionslos hin. "Das ist ein Problem", sagt Neumann. "Ich finde das schade, aber ich kann das nicht ändern." Die Zeiten hätten sich vollkommen verändert. Die jungen Leute feiern eher zu Hause. Früher dagegen konnten fünf Wirte von dem Kneipengeschäft leben. Vor etwa 20 Jahren haben er und seine Frau die Gaststätte von der Familie Cox gekauft, um sie für das Dorf zu erhalten. "Es wird nicht lange dauern, dass Twisteden gar keine Gaststätte mehr hat", malt er ein düsteres Zukunftsbild.

"Die letzte Überlebende", nennt sich nun Angelika Braun. Sie betreibt die letzte Kneipe, die der Dorfstraße geblieben ist. Es gibt noch die Pension Peters, in der viele Twistendener größere Feierlichkeiten abhalten, das IBC, eine Art Bürgerhaus, und das Café Schafstall. Aber so eine richtige, echte Kneipe, wie es sie früher gab, das ist die Gaststätte Braun. "Die letzte Überlebende", die Worte gehen der Wirtin noch mit einem Lachen über die Lippen, aber dann wird auch sie ernst. Bald 25 Jahre sei sie in Twisteden. Erst viereinhalb Jahre im Dorfkrug und dann in der Gaststätte unter ihrem Namen ein paar Häuser weiter. "Ich finde es schon sehr bedrückend", sagt sie über das Kneipensterben. Wie lange sie die Wirtschaft noch halten kann, wisse sie nicht. Sie ist 63 Jahre alt. Zwei Jahre will sie auf jeden Fall noch durchhalten. Und dann? "Ich habe die Befürchtung, dass ich für die Gaststätte keinen mehr finde", sagt sie. "Der Kostenfaktor ist hoch, die Leute kommen nicht mehr."

Dienstag und Donnerstag habe sie schon geschlossen, weil es nicht mehr lohne. Am Sonntag kämen zwei Leute zum Frühschoppen. "Früher im Dorfkrug, da war es immer rappelvoll", sagt sie. Die jüngeren Gäste, so um die 30 Jahre alt, hätten sie schon gefragt: "Wie lange machst du das noch?", haben sich Gedanken gemacht und folgende Konsequenz gezogen: "Komm' wir müssen mehr in die Kneipe gehen", erzählt die Wirtin. Und dass sich jüngere Leute Gedanken machen, das tröstet sie zumindest ein wenig.

(RP)
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