Pilotprojekt fürs Ehrenamt im Klostergarten Kevelaer Wie eine App beim Schleppen helfen soll

Kevelaer · Der Klostergarten startet ein Pilotprojekt, um Ehrenamtler und Hilfesuchende zusammenzuführen. Nyby lautet das Programm, das in Kevelaer erstmals in Deutschland zum Einsatz kommt.

Peter Marx, Elisabeth Münter, Jessica Sieben und Stephan von Salm-Hoogstraeten präsentieren die neue App.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Es klingt alles sehr trendy und hip. Von „Matchen“ ist die Rede von Knowhow, digitaler Lösung, Interaktion und „Pushnachricht“. Dabei geht es um etwas ganz Konkretes: Die Hilfe füreinander oder noch praktischer, um den Sack Blumenerde, der in den zweiten Stock gebracht werden soll. Die 75-jährige Elisabeth Münter aus dem Klostergarten stand gerade erst vor dem Problem. Sie hievte den Sack schließlich in eine Karre, fuhr mit dem Aufzug nach oben und bat eine 83-jährige Nachbarin, ihr beim Reintragen in die Wohnung zu helfen. Für die Senioren ein Kraftakt, bei dem sie künftig per App tatkräftige Unterstützung finden könnten. Die Caritas Kevelaer-Geldern startet am Klostergarten mit einem Projekt, das Modell- und Pilotcharakter haben könnte. Ziel ist es, Hilfesuchende und Ehrenamtler zusammen zu bringen. Helfen soll dabei die App Nyby. „Wir müssen das Ehrenamt neu denken, es gibt immer mehr Hilfsbedürftige, die Ressourcen werden knapper und die Gruppen driften auseinander. Die App ist eine Möglichkeit, diese Gruppen wieder zusammenzuführen“, sagt Peter Marx von Nyby-Deutschland.

Das System soll ganz einfach funktionieren. Auf der einen Seite sind die Ehrenamtler, die ihre Dienste anbieten. Auf der anderen Seite die Personen, die gerne eine Leistung in Anspruch nehmen würden. Passen Angebot und Nachfrage zusammen gibt es einen „Match“ und eine „Pushnachricht“ aufs Smartphone. Im Idealfall kommt die Blumenerde dann in den zweiten Stock.

Vorteil gegenüber sozialen Netzwerken oder Nachbarschaftsplattformen sei der Faktor „Sicherheit“, wie Jessica Sieben, Quartiersmanagerin im Klostergarten, erläutert. Zwischen Ehrenamtler und Hilfesuchendem ist immer eine Instanz zwischengeschaltet, die draufschaut. „Wir sprechen vorher mit den Bewerbern, die Daten werden genau erfasst. So soll auch ermittelt werden, um welche Fertigkeiten und Qualifikationen es genau geht“, erläutert Jessica Sieben. Die Caritas begleite das Projekt eng. Hoffnung ist auch, mit der App neue Ehrenamtler zu gewinnen. Denn Nygy gebe viel Flexibilität. Man müsse sich nicht mehr lange binden, könne selbst entscheiden, was und wie oft man sich engagieren will. „Ehrenamtliches Engagement hat sich verändert, auch darauf wollen wir mit der App reagieren“, sagt Stephan von Salm-Hochstraeten, Vorstand des Caritasverbandes.

Und ein wichtiger Aspekt des neuen digitalen Angebotes ist auch die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen. „Die große Not heute ist die Einsamkeit“, sagt von Salm-Hochstraeten. Daher muss ein Hilfegesuch nicht unbedingt der Sack Blumenerde sein. Hier kann sich der Senior auch melden, wenn er jemanden zum Gesellschaftsspiel sucht oder gerne Begleitung beim Spaziergang mit dem Hund haben möchte. Auch Hilfe beim Arztbesuch oder Unterstützung beim Behördengang sind denkbar. Das Spektrum soll so breit sein wie die Wünsche und Angebote von Ehrenamtlern und Hilfesuchenden. Die App ist ein absolutes Pilotprojekt. In Dänemark wird sie schon rege genutzt. In Kevelaer ist es das erste Mal, dass sie eingesetzt wird. Erst einmal nur im Klostergarten, weil die Caritas das Projekt auch finanziert. Eine Ausweitung caritasweit ist denkbar. Ebenso, dass vielleicht mal die Kommune einsteigt.

Und trotz aller digitalen Möglichkeiten: Damit das Projekt starten kann, braucht es jetzt erst einmal die realen Personen. Jessica Sieben erläutert: „Wir legen los, wenn sich der Erste meldet. Schön wäre, wenn wir auf Dauer 20 Ehrenamtler hätten, die helfen wollen.“

Denn eins ist klar: Nur per App kommt die Blumenerde nicht nach oben.