Kevelaer Kinderärzte in Kevelaer werden knapp

Kevelaer · Momentan sind Kinder und Jugendliche in der Marienstadt medizinisch noch gut versorgt. In ein paar Jahren kann das aber anders aussehen. Viele Mediziner stehen vor dem Ruhestand. Die Suche nach geeigneten Nachfolgern ist schwierig.

 Dr. Wolfgang Brüninghaus, Kinder- und Jugendarzt aus Kleve mit Ben und Mutter Kristina von Normann. Der kleine Ben ist eines von etwa 100 Kindern, die er täglich behandelt.

Dr. Wolfgang Brüninghaus, Kinder- und Jugendarzt aus Kleve mit Ben und Mutter Kristina von Normann. Der kleine Ben ist eines von etwa 100 Kindern, die er täglich behandelt.

Foto: Gottfried Evers

Volle Wartezimmer, das Telefon im Dauerbetrieb und wenig Zeit für die kleinen Patienten. So sieht der Alltag vieler Kinderärzte aus. Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNo) warnen vor einem drohenden Versorgungsengpass in der Kinder- und Jugendmedizin — gerade in ländlicheren Gebieten. Davon betroffen ist auch Kevelaer. "Zurzeit ist die Versorgung der Kinder und Jugendlichen in Kevelaer gewährleistet", sagt Kinderärztin Dr. Hanne Kühnen. Das sieht auch die KVNo so. "Der Versorgungsgrad in Kevelaer liegt bei 245 Prozent", sagt Karin Hamacher.

Die Zukunft sieht allerdings nicht so rosig aus. Hanne Kühnen plant — ebenso wie ein Kollege aus der Marienstadt — , in den nächsten Jahren in Rente zu gehen. Doch einen Nachfolger für ihre Praxis zu finden, ist gar nicht so leicht. "Viele junge Ärzte scheuen den Schritt in die Selbstständigkeit", sagt die Pädiaterin. Außerdem würden gerade jüngere Leute lieber in der Stadt als in ländlicheren Regionen arbeiten. Hinzu kommt, dass mehr als 50 Prozent der Kinderärzte weiblich sind. "Eine eigene Praxis lässt sich manchmal schwer mit der eigenen Familienplanung vereinbaren", sagt Dr. Jochen Rübo, Chefarzt der Kinderklinik Kleve. Auf Dauer wird das zum Problem. Doch Kevelaer ist kein Einzelfall. Im gesamten Kreis Kleve gibt es zurzeit 15 Kinderärzte. Ein Großteil ist bereits über 60 Jahre alt, zwei haben das Rentenalter schon lange überschritten. Doch weil sie keinen Nachfolger finden, machen sie weiter. Dr. Wolfgang Brüninghaus, Kinder- und Jugendarzt aus Kleve, beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit dem drohenden Versorgungsengpass. Für ihn ist die Situation bereits jetzt unhaltbar. "Wir haben kaum noch Zeit für unsere Patienten", sagt er. Zirka 100 Kinder behandelt er pro Tag. Mehr als fünf Minuten hat er für die wenigsten. "Meine Patienten warten zwei Monate auf einen Untersuchungstermin, sofern es sich nicht um eine akute Erkrankung handelt." Immer mehr Kinder würden zudem von Allgemeinmedizinern behandelt, weil die Kinderärzte vor Ort keine Kapazitäten hätten, sagt Brüninghaus. Von der KVNo fühlt er sich im Stich gelassen. Mehrmals hat er sie in den vergangenen Jahren auf das Problem aufmerksam gemacht. "Passiert ist nichts", sagt er. Wie die Vereinigung an ihre Zahlen kommt, kann er nicht nachvollziehen.

Dr. Joachim Gräbe, Kinderarzt aus Dinslaken und Bezirksobmann des BVKJ, ist der Ansicht, dass neue Modelle erarbeitet werden müssen, um den drohenden Engpass aufzufangen. Als Beispiel nennt Gräbe Medizinische Versorgungszentren (MVZ). Ein solches gibt es seit kurzem in Xanten. Und das funktioniert so: "Ein Krankenhaus kauft eine Praxis, in der Ärzte arbeiten, die offiziell beim Krankenhaus angestellt sind", erklärt er. Die Ärzte haben also ein festes Gehalt und tragen nicht die (finanziellen) Risiken der Selbstständigkeit. "Solche Modelle werden in Zukunft verstärkt eingesetzt", sagt Gräbe. Sollte es Hanne Kühnen und ihrem Kollegen nicht gelingen, einen Nachfolger zu finden, muss man wohl auch in Kevelaer über Alternativen nachdenken.

(RP)
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